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2006-04-19 Kommentar:
Brutaler Rassismus hat sich
im öffentlichen Raum eingenistet

Zum Mordversuch an einem Deutschen äthiopischer Herkunft in Potsdam
 
ape. Er könnte fast als Musterbeispiel für die gelungene Integration eines Einwanderers gelten: Ermyas M., deutscher Staatsbürger äthiopischer Herkunft. Er lebt seit bald zwei Jahrzehnten in Potsdam, ist mit einer Potsdamerin verheiratet, sie haben zwei Kinder. Der 37-Jährige hat in Deutschland studiert, arbeitete hier als Ingenieur und schrieb bis eben an seiner Doktorarbeit. Ein ehrenwerter Mann, ein angenehmer Mitmensch, heißt es aus seiner Umgebung. Jetzt liegt er auf Leben und Tod im künstlichen Koma, weil zwei Rassisten ihm an einer Potsdamer Bushaltestelle den Schädel eingeschlagen haben. Grund? Ermyas M.´s Haut ist schwarz.
 
Weil die Tat so unbegreiflich, so völlig abwegig ist, würde man sie nur zu gerne als Ausnahmeverbrechen einzelner hirnkranker Irrer betrachten. Dem stehen allerdings  Erinnerungen an die letzten Jahre entgegen. Wo diese verdrängt wurden, sollten die amtlichen Daten auf die Sprünge helfen. Danach gab es 2005 in Deutschland knapp 600 Gewalttaten mit rechtsextremem und fremdenfeindlichem Hintergrund. Nicht gezählt jene Übergriffe, die nie zur Meldung kamen oder als bloßes Rowdytum notiert wurden.

 Deutschland ist deshalb noch kein brutal-rassistisches Land; beileibe nicht. Aber wir haben uns ernsthaft mit dem Faktum auseinander zu setzen, dass Rassismus hier nicht bloß in manchen Köpfen spukt, sondern sich auch als Gewaltform im öffentlichen Raum eingenistet hat.

Rassistische Gewalt ist ein massiver Verstoß gegen das Grundverständnis unseres Gemeinwesens, ist ein Zivilisationsbruch. Rassistische Gewalt steht damit auf der gleichen verwerflichen Stufe wie jene schrecklichen innerfamiliären „Ehrenmorde“, denen junge Türkinnen zum Opfer gefallen sind. Beides können und dürfen Staat und Gesellschaft in Deutschland nicht dulden. Ob die Täter im einen Fall deutscher, im anderen Fall türkischer Abstammung sind, spielt dabei keine Rolle.

Allerdings führt der Mordanschlag von Potsdam einmal mehr vor Augen, dass unmenschliches Verhalten nichts mit der Herkunft aus einer anderen Kultur zu tun hat. Denn noch immer sind die meisten der fremdenfeindlichen Totschläger hier zu Lande weiß, in Deutschland geboren, in deutschen Familien und Schulen erzogen, mit deutschen Fernsehprogrammen aufgewachsen.   
 
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