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2006-04-11:
Weil Godot nie kommt, wurde
Samuel Beckett weltberühmt


Eine Würdigung zum 100. Geburtstag des irisch-französischen Dramatikers und Erzählers am 13. April
 
ape. Es hat eine Menge Bemühungen von Regisseuren, Interpreten und vor allem Zuschauern gegeben, die Theaterstücke von Samuel Beckett nachträglich mit Sinn zu füllen. Alle Mühen waren und sind vergebens. Schon der Versuch eines solchen Eingriffes muss entweder als verfälschender Übergriff oder als panische Abwehrreaktion gewertet werden. Beides kann nur dem Gegenstand des Beckettschen Oeuvres selbst gelten: der Sinnlosigkeit. Genauer: dem absurden Dasein des Menschen in einer sinnlosen Welt.
 
Man muss die zutiefst pessimistische Weltsicht des heute vor 100 Jahren im irischen Dublin geborenen Erzählers, Dichters und Dramatikers nicht teilen. Man hat aber zu akzeptieren, dass das Wesen von Becketts Kunst besteht aus der Darstellung von zumeist physisch und psychisch beschädigten Figuren, die sich mit einem endlosen Endzustand aus Langeweile, Hoffnungs-  und Perspektivlosigkeit herumplagen. „Was er vorführt, ist furchtbar. Weil es furchtbar ist, ist es auch komisch. Er zeigt, es gibt keinen Ausweg, und das ist natürlich irritierend, weil es tatsächlich keinen Ausweg gibt“, bringt der große Regisseur Peter Brook den Doppelcharakter von Becketts Kunst auf den Punkt.

Wie wohl kein anderer beeinflusste Beckett das Welttheater der Nachkriegszeit. Vier von seinen Stücken haben als moderne Klassiker Eingang gefunden ins quasi ewige Repertoire der Schauspielkunst: das sprichwörtlich gewordene „Warten auf Godot“ (1953), „Endspiel“ (1957), „Das letzte Band“ (1958) und „Glückliche Tage“ (1961) – letzteres kam eben wieder in Koblenz und in Bonn auf die Bühne. Bis heute sind diese Stücke, denen eine wirkliche Handlung fehlt und in denen das Leben der Protagonisten auf der Stelle tritt, inhaltlich wie formal irritierend geblieben.

Stärker noch war die Wirkung auf das Publikum bei der Uraufführung von „Warten auf Godot“ 1953 in Paris. Sie machte aus dem lediglich in literarischen Avantgarde-Zirkeln bekannten Autor fast schlagartig eine Berühmtheit. Bis dato an Dramen mit klaren Aussagen gewöhnt, sorgte das abendfüllende vergebliche Hoffen und Warten von Wladimir und Estragon auf das Kommen eines gewissen Herrn Godot bei den damaligen Zusehern vor allem für - Verblüffung. Der Pariser Premiere im Januar ´53 folgte bereits im September die Deutsche Erstaufführung in Berlin. Noch im gleichen Jahr kam in den Münchner Kammerspielen die Inszenierung von Fritz Kortner auf die Bühne, mit Heinz Rühmann und Ernst Schröder in den Hauptrollen.

Samuel Beckett neigte zeitlebens zu depressiven Verstimmungen. Diese wurden besonders heftig, wenn er zeitweise seine schon 1928 angenommene Wahlheimat Frankreich verließ, sich in England, Deutschland oder in Irland, dem Land seiner Kindheit und Jugend aufhielt. In Paris schloss er sich dem Kreis um James Joyce an, begann selbst Essays, Gedichte, Kurzgeschichten zu schreiben. 1934 erschien die Erzählsammlung „Mehr Prügel als Flügel“, 1938 der Roman „Murphy“. Obwohl sich Beckett vor- wie nachher als unpolitisch bezeichnete, kämpfte er während des Zweiten Weltkrieges im französischen Widerstand. Bis 1948 entstanden weitere Romane, etwa „Watt“, „Molly“ und „Malone stirbt“, die allerdings erst in den 50ern einen Verleger fanden.

Obwohl protestantischer Herkunft, stand Beckett dem Christentum ablehnend gegenüber, weil dieses das Leid zu rechtfertigen suche. Wie seine Stücke über die Sinnlosigkeit des Daseins alles andere als kaltschnäuzig sind, so war das Leben des Schriftstellers in hohem Maße von Mitgefühl für Verfolgte und Unterdrückte durchdrungen. Immer wieder engagierte er sich unauffällig, aber anhaltend und mit Nachdruck für inhaftierte und drangsalierte Autoren und Schauspieler in Lateinamerika, im Ostblock oder in Südafrika.

Schon Becketts frühe und mittlere Werke zeichnen sich durch eine einfache und weitgehend bilderlose Sprache aus, die der menschlichen Ratlosigkeit sarkastische und bitter-humorige Färbung gleichermaßen mitgeben kann. 1969 bekam er den Literaturnobelpreis „für eine Dichtung, die in neuen Formen des Romans und des Dramas aus der Verlassenheit des modernen Menschen ihre künstlerische Überhöhung erreichte“. Becketts spätes Schaffen führte ihn zu einer immer radikaleren Verknappung: Er reduzierte seine Sprache, seine Texte wurden kurz und kürzer – abstrakter Minimalismus. Im 83. Lebensjahr verstummte Samuel Beckett gänzlich: Er starb am 22. Dezember 1989 in Paris.

Wissend, dass er nicht kommt, dass er nie kommt, warten wir dennoch weiter auf Godot.
 
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