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2006-04-09 Schauspiel:
Schwarze Poesie auf Mainzer Bühne
Uraufführung von Marc von Hennings "Das falsche Herz" nach Edgar Allan Poe
 
ape. Mainz. Auf zwei Stunden  Theater aus drei kleinen Stücken und einer Pause folgt privatim angeregtes Rätselraten. Was bedeuten die beiden närrischen Kinder in den Kellergewölben Venedigs? Was treibt  ebenda ein in Reizkorsage hübsch anzusehendes Fräulein? Warum spielt ein Wachmann  einer verrückten (oder auch nicht) Mörderin mit der Quetschkommode zum Totentanz auf? Wieso überhaupt heißt der Schauspieldreiteiler am Mainzer Staatstheater  „Das falsche Herz“? Was davon stammt noch von Edgar Allan Poe und wo hat wie der Autor/Regisseur Marc von Henning sein Teil dazu gemengt? ...
 
Fragen jede Menge, die wir   unbeantwortet lassen. Denn einerseits gehört düster-poetische Geheimnisserei  nun mal zu einem Abend, der auf drei Geschichten des Meisters der Schwarzen Romantik, Poe, beruht. Andererseits ist das gesellige Mutmaßen nach der Vorstellung allein schon das Eintrittsgeld für selbige wert. Was dem Premierenpublikum wohl nicht gleich einleuchten mochte: Der Beifall fiel bloß freundlich verhalten und kurz aus.

Ein bisschen mehr Anerkennung hätte es schon sein dürfen, schließlich sind der dritte, mehr noch der erste Teil von sehr eigentümlichem Reiz. Von zugemauerten Rundbogen mit leeren Regalen davor dicht an die Bühnenrampe gedrängt,  spricht ein etwas vergeistigter Herr in wohl gesetzten, angenehm klingenden Worten zu uns. Schade nur , dass keiner im Saal – in der ganzen Welt – diese Sprache versteht. Keiner, außer einer jungen, etwas schüchternen Dame aus dem Publikum, die sogleich auf die Bühne gebeten wird. Sie übersetzt, was jener Herr im Idiom seiner  abgeschiedenen Heimatinsel erzählt, deren Bewohner den Profit genießen dürfen, „durch das Netz der Weltverwaltung geschlüpft zu sein“.

In wunderbar zurückgenommener, auf kleine Gesten und Betonungen konzentrierter Zwiesprache übermitteln Thomas Kienast und Inka Löwendorf, was schon in Poes Story „Das ovale Porträt“ Sonderbares berichtet wird. Im Kern geht es um eine Malerei, bei der ein Mann das Lebendige seiner Frau in höchster Vollendung auf die Leinwand überträgt. Nur leider stirbt das Modell darüber.

Im zweiten Teil öffnet sich die Bühne zur labyrinthischen Katakombe. Ein gruseliger Tatort ist´s, soll es sein – zu dem kehrt Montresor der ältere (Jochen Tovote) zurück, sich erinnernd, wie Montresor der jüngere (Roman Haselbacher) 30 Jahre zuvor dort den Fortunato ums Leben brachte. Seine Mordwaffe ist die Gier des Gegenspielers nach dem besten Wein. Es spielen da zwei kostümierte Kinder Verstecken, es spielen ebenso kostümierte Männer  Tod im Labyrinth. Von der Decke fallen Knochen, aus dem Off raunen Geisterstimmen. Ein Spiel mit Zeit- und Erinnerungsebenen auf der Basis von Poes Geschichte „Das Fass Amontillado“, die durch die  szenische Bemühtheit allerdings mehr verliert als gewinnt.

Anders Teil drei, der auf Poes berühmter Geschichte "das verräterische Herz" fußt. Sehr hübsch der optische Effekt  mit einem in die Tiefe endlos sich verjüngenden Bogengang (Bühne: Ralf Zeger). Je weiter hinten die Schauspieler auftreten, umso riesenhafter wirken sie. Das Leben, eine Täuschung. Täuschend auch das Geschehen im Theater. Im Zuschauerraum berichtet die Erzählerin (Löwendorf) vom Mord, den die vermeintlich wahnsinnige Mutter mit Raffinesse beging. Auf der Bühne wird derweil von Monika Dortschy und Jochen Tovote in wortloser Langsamkeit die Folgegeschichte im Gefängnis dargestellt. Da hat das Zuschauerhirn zu tun –  wer mag,  darf auch bloß verwundert schauen.
 
Langsamkeit, Betulichkeit fast, ist ein Merkmal des gesamten Abends. Es ist nicht das schlechteste. Sprache bekommt ihren Raum, Fantasie ihre Zeit, und die (schwarze) Poesie darf ohne heftige Actioneinwürfe ausschwingen. Diese Art ist selten geworden am Theater – und offenbar gewöhnungsbedürftig.
 
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