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2006-03-30:
Der lange Marsch vom Chaos zum Publikumsrenner

Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitsein wird 50 Jahre alt
 
ape. 50. Geburtstag feiert in diesem Jahr das rheinland-pfälzische Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein. Eine schöne Zahl, deren Gewicht freilich schrumpft, tritt man der Geschichte des Gemäuers näher, in dem das Museum zu Hause ist. 3000 Jahre Festungsgeschichte und 5000 Jahre menschliche Besiedlung seien für den Ehrenbreitstein bislang belegt, erklärt Thomas Metz. Er ist der jüngste Sproß in einer kurzen Reihe prägender Museumsdirektoren. Mit gesteigertem Interesse beäugt er derzeit, was seine Kollegen Archäologen von der Koblenzer Niederlassung des Landesamtes für Denkmalpflege im Festungsbereich an Zeugnissen aus römischer Zeit ausbuddeln. Denn zu gern würde Metz auch wissenschaftlich bewiesen sehen, was ihm sein Altertumsinstinkt eingibt: Dass das Areal zumindest mittelbar Teil des Limes war. Wäre dies der Fall, könnte sich die Festung Ehrenbreitstein als eine der ganz wenigen Landmarken auf Erden bezeichnen, die gleichzeitig zwei Unesco-Welterbestätten angehört: dem oberen Mittelrheintal UND dem römischen Limes.
 
Vor solchen historischen Dimensionen nimmt sich der 50. Geburtstag des Landesmuseums bescheiden aus. Bevor die Zeitgenossen das Jubiläum nun durchwinken, sei an eine Eigentümlichkeit des Museums erinnert: Ohne selbiges wüssten wir von jenen Dimensionen herzlich wenig. Museen sind Orte der Bewahrung, Erforschung und Vermittlung geschichtlicher Zeugnisse, sind unser kollektives Gedächtnis. In diesem Sinne ist das Landesmuseum Koblenz ein Erinnerungsspeicher für die Früh-, die Kultur- und Technikgeschichte der Mittelrheinregion. Womit wir wieder beim Jubiläum wären, das natürlich einen Rückblick auf die Historie des Museums selbst, auf seine Anfänge 1956 und die Jahre drumherum nahe legt.

Am Anfang war Chaos. Was in diesem Fall ein Nebeneinander von Nachkriegsprovisorien meint. Weshalb man nicht einfach von Gründung des Landesmuseums sprechen kann. Die Sache war viel komplizierter. Sie war so kompliziert, dass die Bezeichnung „Landesmuseum“ erst ab 1970 offiziell zur Anwendung kam, die Aufbauarbeit für das Museum aber eigentlich schon 1949 begann. „Einspruch“ könnten hier Altkoblenzer rufen, denn Josef Röder, der Mann der ersten Nachkriegsstunde, war vorderhand tatsächlich mit der Wiedereröffnung des „Mittelrheinischen Museums“ befasst. Dessen Bestände waren im Krieg vom Schloss auf die Festung in Sicherheit gebracht worden, sollten dort nun ausgestellt werden. Die Konstruktion war also: Ein städtisches Koblenzer Museum unter dem Dach der übergeordneten Schlösserverwaltung, geleitet von Röder, der als Bodendenkmalpfleger dem Landesmuseum Trier unterstellt war, nachher Chef des archäologischen Landesdienstes wurde und als Steckenpferd den Aufbau der „Staatlichen Sammlung für Vorgeschichte und Volkskunde am Mittelrhein“ betrieb.

EINE HEIKLE KONSTELLATION

In Wirklichkeit waren die Verhältnisse noch verwirrender als hier darstellbar. Offenkundig ist  jedoch dies: In der Festung hatten es Stadt, Land, Archäologie/Denkmalpflege und Röders „Staatliche Sammlung“ miteinander zu tun. Eine heikle Konstellation, denn die Interessen der diversen Parteien waren oft (sind es teils bis heute) alles andere als deckungsgleich. Die Schlösserverwaltung wollte den Touristen was bieten, die Stadt ihr Mittelrheinmuseum im Vordergrund sehen, die Archäologen das Altertum ergraben, Röder eine eigene Landessammlung vor Publikum bringen … Einigermaßen funktionierte hat das nur, weil Josef Röder in Personalunion vorübergehend alle Parteien vertrat. Und was war nun der Same für das Landesmuseum? Die „Staatliche Sammlung“ war´s, lange Unterabteilung der Bodendenkmalpflege  – und stiefmütterlich behandelt, nachdem 1963 die Rödersche Personalunion aufgelöst worden war und der vorherige Trierer Museumschef Hans Eiden das Zepter auf dem Ehrenbreitstein übernommen hatte. Das Mittelrhein-Museum zog 1965 um an den Florinsmarkt im Stadtzentrum. Röder ging nach Neuwied ins Exil, kehrte aber 1967 als „Oberkustos“ der Staatlichen Sammlung wieder  zurück.

Die Sammlung sollte am Anfang erstens die archäologischen Funde der Bodendenkmalpflege aus der regionalen Frühgeschichte präsentieren. Zweitens aber, und das war nun – nicht immer zur Freude der Denkmalplfeger – Röders Plaisier, sollte sie einen volkskundlichen Schwerpunkt erhalten. Was bedeutet: die Formen des Lebens, mehr noch des Arbeitens im hiesigen Raum dokumentieren. Auf Geschichte, Arbeitsmethoden, Werkzeuge und Maschinen in Weinbau, Bergbau, Flussfischerei, Bims- und Basaltgewinnung richtete sich die Aufmerksamkeit. Viele Exponate waren damals relativ leicht zu bekommen: Der „alte Krempel“ stand während der Wirtschaftswunderjahre nicht hoch im Kurs – für Röder ein Grund mehr, die Sammlung zügig auszubauen, bevor die letzten Zeugnisse insbesondere der jüngsten Technikvergangenheit auf dem Müll landeten.

Ummauerten Raum gab es auf der Festung reichlich, nutzbare Räume indes waren so rar wie das Geld, sie nutzbar zu machen. Der Winter beispielsweise dauerte lange zwischen den dicken Mauern: Bis die meist  unbeheizbaren Büros, Depots und Ausstellungsräume erträglich temperiert waren, konnte es Juni werden. Während der Wintermonate schloss das Museum, die dann verkleinerte Mannschaft arbeitete in dicken Mänteln, wie unser altes Foto zeigt. Den Heizungseinbau in den 80ern erlebte Röder nicht mehr, am 10. Mai 1975 verstarb er unerwartet. Im Oktober 1976 übernahm Ulrich Löber eine Institution, die schon ein gutes Wegstück zurückgelegt hatte, aber nach wie vor auf dem Weg war zum technischen Landesmuseum. Der Kampf um Platz, Personal und Finanzen für die wachsende Sammlung und das Museum sollte Löber ebenso beharrlich begleiten wie seinen Vorgänger.

PIONIER DER MUSEUMSPÄDAGOGIK

Schon Röder hatte einen ausgeprägten Sinn für die Vermittlung der Sammlungsinhalte ans allgemeine Publikum, von örtlichen Ausflüglern und Schulklassen über Touristen aus der Ferne bis hin zu Wissenschaftlern. Für seinen Nachfolger wurde dieser Aspekt der Museumsarbeit während 25-jähriger Amtszeit zur Passion. Löber gilt als Pionier der Museumspädagogik, unter seiner Ägide wurde die erste Stelle für einen Museumspädagogen in Rheinland-Pfalz eingerichtet. Dazu passt seine Rolle als Vorreiter für thematische Sonderausstellungen. „Vom Korn zum Brot“ brachte 1982 Technik- und Sozialgeschichte mit konkretem Handwerk zusammen und sorgte für einen regelrechten Publikumsansturm.

Es folgten kleine Sonderschauen wie „Historische Münzautomaten“ (1993) oder „Kaffee, Mocca, Muckefuck“ (1994); es kamen die opulenten Ausstellungen „Die Wikinger (1998) oder „Erlebnis Wald“ (2000). Einen besonderen Schwerpunkt in Löbers Sammel- und Ausstellungstätigkeit bildeten bedeutende Konstrukteure aus der Region, darunter Thonet (Möbel), Pfaff (Nähmaschinen), Horch (Automobile) oder Otto (Motoren).  Der rührige Museumschef erweiterte das Landesmuseum um mehrere Abteilungen. Neu hinzu kamen unter anderem „Musikinstrumente“, „Archäologie an Mittelrhein und Mosel“ sowie die „Landessammlung zur Geschichte der Fotografie“, die jetzt unter Thomas Metz einen formidablen Aufschwung nimmt. Quasi nebenher fungierten Löber und das Landesmuseum als Geburtshelfer für andere Museen, so in Boppard, Höhr-Grenzhausen, Treis-Karden oder Windesheim.

50 Jahre Landesmuseum Koblenz sind 50 Jahre langer Marsch vom Chaos zum technikhistorischen Museum mit zehntausenden Besuchern in jeder Saison. Das sind auch 50 Jahre Diskurs am lebendigen Objekt darüber, was ein Museum, was speziell dieses Museum kann, soll, muss. Die Aktivitäten im Jubiläumsjahr werden vielfach Gelegenheit geben, zu schauen, zu staunen, zu lernen und bisweilen zu streiten. Sage noch einer, in Museen werde bloß der Staub der Geschichte konserviert.
 
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