Thema Politik
Thema Gesellschaft
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-03-17 Kommentar:
Völlig indiskutabel: Halbe Rente als Bestrafung für Kinderlosigkeit

 
ape. Es wird ernst an der Gebärfront. Nachdem neue Statistiken Deutschland zum Weltmeister in Sachen Geburtenschwund gekürt haben, verschärft sich die Tonart gegen die Kinderlosen deutlich. Johann Eekhoff etwa, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik der Uni Köln, fordert: "Die Renten von Kinderlosen müssten um die Hälfte gesenkt werden." Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis legt nach: "Kinderlose sollten entweder eine verminderte Rente bekommen oder mehr in die Rentenkasse einzahlen müssen." Damit erreicht die Diskussion um das Sinken der Geburtenrate eine neue Qualität. Galt bislang verstärkte Förderung der Elternschaft als probates Gegenmittel, greift nunmehr der Ruf nach materieller Bestrafung der "Nachwuchs-Verweigerer" um sich.

Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der FAZ, hat in seinem dieser Tage erscheinenden Buch "Minimum" ausgemacht, dass "Großmütter, Mütter und Töchter entscheiden (werden), ob und wie unsere Gemeinschaft neu entsteht". Die Suppe sollen also jene auslöffeln, die sie uns eingebrockt haben - Frauen, weil sie mit ihrem Gebärunwillen die Familie als "Urgewalt" der Gesellschaft torpedieren. Schirrmacher bekommt Unterstützung durch den "Spiegel", der von einer Missachtung der "Schöpfungsnotwendigkeit" schreibt. Dagegen hält Iris Radisch (46, Mutter) in der "Zeit": "Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein neuer älterer Herr die jungen Frauen an ihren Auftrag für Vaterland, Rentenkasse und Kulturnation erinnert."

Es ist typischerweise eine Frau, die das Problem auf den Punkt bringt, bringen muss. Die Herren der Schöpfung haben sich längst ins Reich der Zahlenspiele und objektiven Notwendigkeiten verabschiedet. Wobei sie offenbar die Tatsache, dass dieses Land von einer kinderlosen Frau regiert wird, für bedeutungslos halten. Wie ihnen bei der großen Diskussion um gesamtgesellschaftliche Perspektiven wohl auch nicht in den Sinn käme, nach den Kinderbetreuungsjahren zu fragen, die etwa von der parlamentarischen Männermehrheit in dieser Republik geleistet worden sind. Polemik? Nein, Tatsachen. Tatsachen, die verkennen, dass es neben allen übrigen sozialen Komponenten im Kern immer um die Frage der Lebensperspektiven individueller Frauen geht.

Unbestreitbar ist, dass nach zwei Jahrhunderten explosionsartigen Bevölkerungswachstums die Unterschreitung der Reproduktionsrate in einigen wenigen Gegenden des Erdballs für diese Gegenden ein Problem darstellt. Eine propagandistische Gebär-Offensive, flankiert gar von materiellen Strafmaßnahmen für Gebär-Verweigerung, ist weder Erfolg versprechend noch überhaupt ein diskutabler Ansatz zur Problemlösung. "Männchen, Weibchen, Nest und Nachwuchs, das ist der Gang der Welt seit Anbeginn", diese Ideologie liest Iris Radisch zwischen den Zeilen von Schirrmacher, "Spiegel" und Co. Man muss sich für das Problem Geburtenschwund etwas anderes einfallen lassen, denn der Weg zurück ist versperrt - auch von starken Frauen, die tagtäglich ihren Mann stehen (müssen und/oder wollen).


Weitere Artikel zu diesem Thema (bitte jeweils anklicken)

> 2006-02-18: Familie zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Teil 1

> 2006-02-18: Familie zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Teil 2

> 2006-01-02: Wirtschaftglobalisten denken nicht global (Essay)
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken