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2006-03-13:
Walter Ullrich spielt Heinrich VIII.

Zum 75. Geburtstag und 60-jährigen Bühnenjubiläum des dienstältesten
Theaterintendanten Deutschlands
 
ape. Neuwied/Bad Godesberg. Manchmal sind Besuche im Schlosstheater Neuwied wie Reisen in eine vergangene Theaterwelt. Hier wird bisweilen gespielt, als sei das Regietheater nie erfunden worden, stehe die Entwicklung des absurden Theaters erst noch bevor und handle es sich bei den andernorts allfälligen Neuinterpretationen der Klassiker um einen Irrweg der Bühnenkunst. Gegenwartsstoffe kommen auf diese Bühne und diejenige ihres Geschwisters, des „Kleinen Theaters Bad Godesberg“, vornehmlich in Form der Boulevardkomödie.
Zu danken ist dieses schiere Alleinstellungsmerkmal im südlichen Rheinland Walter Ullrich
 
In der Multifunktion als Schauspieler, Regisseur und Intendant dient er beiden Theatern quasi seit Urzeiten: dem in Bad Godesberg seit beinahe einem halben Jahrhundert, dem in Neuwied (das zugleich auch als Landesbühne Rheinland-Pfalz „über die Dörfer“ zieht) seit mehr als 25 Jahren. Eben feierte er seinen 75. Geburtstag. Seit mehr als 60 Jahren steht er auf und hinter der Bühne. Damit ist Walter Ullrich der dienstälteste Theaterintendant Deutschlands;  hinsichtlich Auslastungsquote und Abonnentenzahlen in seinen beiden kleinen Theatern wohl auch der erfolgreichste.

Im Umfeld des Mehrfachjubiläums spielt er nun die Hauptrolle eines Stückes, das es bis dato so nicht gab: „König Heinrich VIII. und seine Frauen“ nennt sich zwar ein Werk von Hermann Gressieker (1903-1983), aber daraus wurden für die jetzt gespielte Version gleichen Namens nur einige Szenen entnommen. Die führte Ullrich –  während eines Krankenhausaufenthaltes zwecks Hüftoperation – mit Teilen eines Shakespeare-Fragments über Heinrich VIII. und eigenen Einfällen zusammen. Fertig war ein gut zweistündiges Stück über jenen englischen König, der sich mit dem Papst überwarf und die anglikanische Kirche gründete, um nacheinander sechs Frauen ehelichen zu können.

So entstand eine Paraderolle für Vollblutmime Ullrich, der vor zehn Jahren gegenüber dieser Zeitung erklärte: Er habe keine Lust den Lear zu spielen, weil es ihm nicht besonders liege, sich von drei Frauen auf der Nase herumtanzen zu lassen. Hier nun tanzen die Damen nach König Heinrichs Pfeife, dabei gefährlich lebend, denn die Begierden des Herrn sind unberechenbar – der Tanz um Thron und des Monarchen Bett endet für die rasch Verflossenen mal in der Verbannung, mal auf dem Schafott.

Letzteres ist auch dem Kanzler des Königs, Thomas More, beschieden, der dass unheilige Herrscherspiel nicht goutieren mag. In diesem Konflikt erkennen wir Shakespeares Handschrift und seinen hohen Ton. Beides verliert sich später im humorigen Gegenwartssprech der nachgetragenen Szenenfolge. Die umfasst 18 Rollen, wird aber als Chronologie sechs aufeinander folgender Gattinnen erzählt. Eine bloße Abfolge bleibt es, zum geschlossenen Drama, gar einem Shakespearscher Dimension reicht es nicht. Man möchte sogar sagen: Nach den ersten Szenen von Shakespeare verlassen, fehlt wenig und wir wären wieder beim Boulevard – diesmal freilich in wunderschönen, historisierenden Kostümen dargeboten (Regie: Hans Thoenies, Ausstattung: Ottowerner Meyer).

Das Publikum ist angetan. Die Kritik murrt, bleibt aber freundlich. Denn Walter Ullrich ist ein Unikum, einer der letzten Theaterprinzipale alter Schule, ohne den es die beiden Theater in Neuwied und Bad Godesberg womöglich längst nicht mehr gäbe. Sich nicht um Trends und Entwicklungen in der übrigen Bühnenwelt scherend, zieht er auch mit lächerlich geringen  Subventionen sein Ding durch: Vergnügliches Theater und solches im alten Stil, das offenbar viele Leute heute noch mögen.
 
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