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2006-02-26 Konzerteinführung:
Mozart und Salieri

Görreshauskonzert II/06: Mozarts 1. Sinfonie, Salieris 26 Variationen über La Folia di Spagna, Rimski-Korsakows dramatische Szenen "Mozart und Salieri"
 
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Musikfreunde,

schön, dass Sie sogar am Karnevalssonntag den Weg hierher gefunden haben. Ob Sie nun gekommen sind, weil Sie guter Musik ohnehin den Vorzug vor der Jeckerei geben,  oder ob sie hier sind, um bei guter Musik nur einen Moment vom Fastnachtstrubel zu verschnaufen: Seien Sie herzlich willkommen beim 2. Görreshauskonzert der Saison 2006.
 
Zur heutigen Sache! Noch immer ist Mozart-Jahr, auch wenn der 250. Geburtstag von Wolfgang Amadé nun schon einen ganzen Monat zurück liegt. Das Würdigen des genialen Musikus ward Mitte Februar – genauer gesagt: am 17. Februar – nur kurz unterbrochen von einem Zwischenspiel unter dem Titel „Heinrich Heine zum 150. Todestag“.  Danach fand die Kulturwelt umstandslos zum Alltag zurück. Und der dreht sich im Jahr 2006 vor allem in Deutschland und Österreich eben vornehmlich um Mozart. Wobei, das sei angesichts des Termins unserer Zusammenkunft kurz eingeworfen: Mozart und Karneval passen gar nicht schlecht zueinander – denn Wolferl hatte bekannter Maßen allerhand übrig für ausgelassene Maskenspiele. Das Rheinland hätte ihm zur fünften Jahreszeit womöglich recht gut gefallen. Aber das nur am Rande.

Auch beim heutigen Konzertprogramm ist Mozart quasi geistiger Dreh- und Angelpunkt, obwohl nachher nur ein einziges Werk von ihm gespielt wird. Wir bekommen die allererste seiner Sinfonien zu hören, eine Arbeit, die er 1764 in London zu Papier brachte. 1764! Wenn Sie  nun also rechnen: Mozart kam im Jahr 1756 in Salzburg zur Welt – mithin hat der kleine Österreicher seine erste Sinfonie im zarten Alter von 8 Jahren komponiert. Und zwar während einer jener vielen ausgedehnten Tourneen, zu denen der Mozart-Vater Leopoldt seine beiden Kinder Wolfgang und Nannerl nötigte, um sie dem ganzen staunenden Europa als Wunderkinder feilzubieten. Es wird also unser heutiges Konzert eröffnet mit dem Werk eines Kindes. Dies sage ich nicht, um etwa vorweg um Verständnis für mangelnde Großartigkeit zu werben. Ich sage es im Gegenteil, um Sie hinzuweisen auf das außerordentliche Talent jenes Knaben, das bereits in diesem Frühwerk zum Ausdruck kommt – trotz aller unüberhörbaren Kindlichkeit im schulmäßig formalen Aufbau der Es-Dur-Sinfonie und trotz mancher Naivität in deren affektiven Dimensionen.

Selbst der große Mozart konnte als Kind noch kein Erwachsenen-Werk komponieren. Was einmal mehr beweist, dass entgegen vieler obskuren Ausblühungen des romantischen Genie-Kultes Kunst des gelebten Lebens bedarf, der tatsächlichen Lebenserfahrung also, um wirkliche Tiefe gewinnen zu können.

Klein-Wolferl hält sich – wie übrigens viele seiner schon älteren Zeitgenossen in der frühen zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch – bei seinen ersten Sinfonien an die bewährte Struktur des Barockkonzerts: Drei Sätze, schnell – langsam – schnell. Auch mit den Tonarten bleibt er weitgehend im Mainstream jener Zeit: bei Dur, wie mehr als 80 Prozent der damals in Europa entstehenden Werke der allmählich sich entwickelnden Gattung der Sinfonie. Mozarts Erste steht wie gesagt in Es-Dur. Das Orchester ist noch ziemlich klein. Und der Bub instrumentierte im Original 2 Violinen, Viola, Bass, 2 Oboen und 2 Hörner.

Das ist auf den ersten Blick und aufs erste Hören alles nicht sonderlich aufregend. Und doch, und doch hören wir bereits aus dieser Kinder-Komposition Töne heraus, die man später „mozartisch“ nennen wird.  Schon der 8-Jährige macht gezielt Effekte, indem er intensiv häufige Lautstärkewechsel zwischen forte und piano auf sehr kurze Distanzen einsetzt. Achten Sie einmal auch darauf, was in der Bassstimme geschieht: Vielleicht bemerken Sie dort die ersten Versuche von Imitation und Kommentierung des Melodiegeschehens, die der ältere Mozart dann so meisterlich zu nutzen versteht.

Lenken möchte Ihre Aufmerksamkeit aber besonders auf das Andante, auf den langsamen Mittelsatz der Sinfonie. Dort wird überaus gefühl- und effektvoll eine kleine Melodie durch bedächtige Auf- und Abwärtsgänge geführt und jeweils mit sehr hübschen barocken Wendungen abgeschlossen. Nach meinem Dafürhalten ist das ein Ergebnis des Einflusses zweier Musiker, denen der kleine Mozart bei seinem Aufenthalt in London 1764/65 begegnete. Da war erstens der Gambenvirtuose und Komponist Karl Friedrich Abel, der zu jener Zeit mit einer ganzen Reihe dreisätziger Sinfonien von sich Reden machte. Abels Kompositionen gelten als handwerklich sehr ordentlich, allerdings nicht sonderlich inspiriert. Seine langsamen Mittelteile enthalten jedoch immer wieder sehr gefühlvolle lange Passagen und hübsche chromatische Verzierungen. Mehr noch als Abel hat aber wohl der so genannte „Londoner Bach“ auf Wolfgang Amadé gewirkt. Johann Christian Bach, der jüngste Sohn von Musik-Übervater Johann Sebastian Bach nahm sich in London des Jungen wie ein väterlicher Freund an. Und gerade der raffiniert-gefühlvolle Umgang mit kleinen Melodien sowie die Technik charmanter Imitationen in der Bassstimme soll eine Spezialität von Johann Christian gewesen sein.
 
Wie auch immer. Ich jedenfalls empfehle den 2. Satz von Mozarts 1. Sinfonie Ihrer besonderen Aufmerksamkeit. Warum? Weil darin eine erste gewisse Ahnung von Qualitäten aufscheint, die uns über das Staunen hinausführt, das die kompositionstechnische Versiertheit eines Kindes auslöst.

Weiter zum zweiten Werk des heutigen Konzerts, und damit zum Komponisten Antonio Salieri, dem wohl größten Pechvogel in der Musikgeschichte – zumindest wenn man ihn im Spiegel der Verleumdungen, Missachtungen und Fehleinschätzungen sieht, die ihm Seitens der Nachwelt zuteil wurden. Der 1750 in Italien geborene und 1825 in Wien gestorbene Musiker, Komponist und Musikpädagoge hatte erstens das Pech, mehrere Jahre mit einem der  bedeutendsten Musiker der Geschichte die Wirkungsstätte zu teilen: mit Mozart die damalige europäische Musikmetropole Wien. Salieri hatte zweitens das Pech, dass im 19. Jahrhundert die Kulturwelt dem Genie-Wahn verfiel. So wurde Mozart in die Gottgleichheit erhoben, und fast zwangsläufig sein Zeitgenosse Salieri in die Niederungen der Bedeutungslosigkeit getreten oder gleich in der Gosse teuflischer Neidhammelei ersäuft.

Die Mythen über Salieri, der mit Handwerk und Fleiß nicht erreichen konnte, was der geniale Mozart mit Leichtigkeit gebar, diese Mythen sind Legion. Sie gipfeln in der wieder und wieder kolportierten Mär vom Hass des Italieners auf den Österreicher, der schließlich gar in einer Mordtat geendet habe. Ich will darauf  heute nicht weiters eingehen, das war Herbert Feuersteins Angelegenheit beim vergangenen Görreshaus-Konzert. Nur dies sei unterstrichen: Die Schauergeschichten über Salieris tatkräftigen Hass auf  Mozart sind  allesamt ein ziemlicher Unfug. Es gibt nach meiner Kenntnis gar keine zeitgenössischen Dokumente oder ernst zu nehmende Äußerungen, die irgendwie auffällige Feindschaften zwischen den beiden bezeugen würden. Das meiste, was darüber geschrieben wurde, stammt aus der Zeit nach Mozarts Tod, mehr noch nach Salieris Ableben. Die Salons des 19. Jahrhunderts liebten  Verschwörungsgeschichten, zumal, wenn sie so trefflich zum dubiosen Vergötterungswahn passten wie im Falle Mozart. Salieri jedenfalls hat die musikalische Größe Mozarts durchaus erkannt, anerkannt und ihn nicht eben selten sogar gefördert.

Aber Pech ist eine klebrige Angelegenheit. Im Zuge der Mozart-Verehrung war Salieri der Stempel bemühter Drittklassigkeit aufgedrückt worden. Ein Aufdruck der ihm bis heute anhaftet. Wie üblich, habe ich bei der Vorbereitung auf diesen Vortrag ein bisschen auch in den einschlägigen Konzertlexika und Musikführern geblättert. Und tatsächlich kommt in einigen Antonio Salieri überhaupt nicht vor.  In anderen stellt er bloß eine Fußnote dar – meistens im biografischen Abriss über Mozart. Das ist nicht nur eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Es ist von der Sache her auch ein musikhistorisches Unding. Denn der Mann genoss nicht nur im Wien seiner Zeit hohes Ansehen und großen Einfluss, es gingen auch etliche der nachher wichtigsten Komponisten Europas bei ihm zeitweise in die Lehre:  Etwa Beethoven, Liszt, Schubert, Hummel, Meyerbeer, um nur einige der allgemein bekanntesten zu nennen. UND: Mozarts Sohn Franz Xaver (!) wurde ebenfalls von ihm unterrichtet. Der Wiener Hofkapellmeister Salieri galt zu seiner Zeit als bedeutender Musikpädagoge. Obendrein ist sein Lebenswerk als Komponist wahrlich gewaltig, es enthält allein 40 Opern, zumeist im neapolitanischen Stil. Schier endlos die Liste  insbesondere seiner kirchenmusikalischen Werke. Zu vermerken wäre noch, dass viele seiner Arbeiten schon zu Lebzeiten auch aufgeführt wurden, und zwar überwiegend in großen europäischen Städten.

Natürlich stellt das alles keine Garantie dafür dar, dass Salieris Kompositionen solche von herausragender künstlerischer Klasse wären. Aber SO schlecht wie sein Oeuvre beleumundet ist, kann es angesichts der eben angeführten Tatsachen eigentlich nicht sein. Unübersehbar ist jedenfalls, dass seit Salieris Tod 1825 und bis vor etwa 10 Jahren eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinem Schaffen allenfalls marginal stattgefunden hat. Es deutet manches darauf hin, dass Salieris Licht nicht bloß – was verständlich wäre – von Mozarts künstlerischer Größe überschattet wurde. Vielmehr  scheint ein aus Sensationsgier und Geniekult geborenes Vorurteil die ernsthafte Beschäftigung mit Salieris Werk über mehr als 150 Jahre weitgehend verhindert zu haben.

Seit einigen Jahren vermehren sich die Bemühungen um eine Wiederentdeckung Salieris. 2003 etwa sang Cecilia Bartoli eine Auswahl seiner Arien ein. Die CD wurde ein enormer Verkaufserfolg, erhielt 2004 den Echo-Klassik-Preis sowie den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik. Salieris Opern erleben mittlerweile auf der Bühne eine zumindest kleine Renaissance. Wenn Sie so wollen, reiht sich auch das heutige Konzert in diese Bemühungen um Rehabilitation und angemessenen Umgang ein. Reine Instrumentalmusikwerke hat Salieri allerdings vergleichsweise wenige geschrieben. Sein möglicherweise letztes bekommen wir heute zu hören: „26 Variationen für Orchester über La Folia di Spagna“, entstanden im Dezember 1815.
          
Die Folia ist ein alter Tanz. Entgegen der vom Titel nahe gelegten Vermutung stammt dieser aber nicht aus Spanien, sondern aus dem benachbarten Portugal. Erstmals erwähnt wurde der Tanz 1577 beim spanischen Organisten und Theoretiker Francisco de Salinas. Das Wort „Folia“ bedeutet, habe ich mich belehren lassen, so viel wie Tollheit oder Wahnwitz. Der Name rührt angeblich daher, dass diese Tanzmusik in ihrer frühesten Form derart schnell und aufpeitschend gewesen sei, dass es den Zusehern vorkam, als würden die Tänzer über ihr ausgelassenes, enthemmtes Tun schier den Verstand verlieren.  Deswegen, so heißt es in der Literatur vielfach, sei die Folia im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mal verboten worden – insbesondere im Herrschaftsbereich ihrer katholischen spanischen Majestäten.

Scharen von Komponisten haben sich in diversen Zeitaltern von der Folia anregen lassen, haben im Gegenzug die Folia aber auch in ihrem Wesen verändert. Vor allem wurde sie entschärft. Bekannt sind Folia-Adaptionen beispielsweise von Frescobaldi, Lully, Corelli, Scarlatti, Farinelli, Cherubini, Vivaldi oder auch Carl Philipp Emanual Bach. Deshalb dürften auch diejenigen unter Ihnen, die ganz sicher sind, Salieris Folia-Arbeit noch nie gehört zu haben, nachher beim Konzert mit ziemlicher Sicherheit vom Gefühl befallen werden, einem alten Bekannten zu begegnen. Was sie nicht verwundern muss, denn außer bei den eben genannten Komponisten gibt es Folia-Anklänge obendrein in J.S. Bachs „Bauernkantate“, im zweiten Satz der 7. Beethoven-Sinfonie, in Franz Liszts „Rhapsodie espagnole“ oder in Rachmaninows Bearbeitung der Corelli-Variationen.

Unter all den Komponisten-Federn verschwand die Tollheit aus der Musik. Geblieben freilich ist der Zauber einer unverwechselbaren Tonfolge auf einem eigentümlich anrührenden harmonischen Grund.
Salieris 26 Folia-Variationen für Orchester fügen sich zu einem herrlichen Werk, zu einem knapp 18-minütigen Kaleidoskop unterschiedlichster Klangfarben und rhythmischer Muster. Salieri instrumentierte für  Streicher, je zwei Holzbläser, zwei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Harfe, Pauken und Tamburin. Große Besetzung also, die er mit fabelhaftem Einfallsreichtum zum Einsatz bringt. In zarter, pastoraler Melancholie geben Klarinetten und Fagotte das Thema vor.  Gedämpft, beinahe geheimnisvoll übernehmen Violinen, Celli und Bässe zur ersten Variation. Die zweite Variation lässt eine Ahnung vom toll machenden Furioso der ursprünglichen Folia aufkommen. Die dritte zieht uns tutti in eine hochdramatische Welt, die vierte in ein Kontrastspiel aus süßen Harfenklängen und wuchtigen Orchesterschlägen. Die 14. Variation kombiniert Streicher und Harfe, die 15. Solovioline und Holz usw., usf.

Zur Vielfalt der Klänge gesellt sich eine Vielfalt von Rhythmen und dazu wieder kommt eine Vielfalt von Stimmungen. Es ist, als habe Salieri eine Fibel kompositorisch-musikalischer Möglichkeiten schaffen wollen; ein Lehrwerk, das an Hand knapper, aber gekonnt und originell ausgeführter Kapitel darlegt, was geht und möglich ist. Der so gering geschätzte, ja verachtete Komponist hat mit seinen 26 Folia-Variationen geradewegs eine neue Werk-Gattung in die Musikgeschichte eingeführt: Die Orchestervariationen. Und noch eines überrascht einen beim Hören von Salieris Folia: Der Komponist ist bei der Vollendung der Variationen bereits 65 Jahre alt – und doch macht er teils Musik, die zu seiner Zeit quasi im Avantgarde-Stadium steckte oder noch gar nicht erfunden war. Sie werden Variationen begegnen, die weit in die Romantik vorausgreifen, ja darüber hinaus. Sie werden Schubert hören, Brahmssche, Schumannsche, selbst Wagnersche Momente erleben. Diese 26 Variationen für Orchester auf La Folia di Spagna sind ein musikalischer Parforceritt sehr besonderer Art. Sie sind auch Geschmacksache, wie ich zugeben muss. Dennoch wird daran klar, dass der Herr Salieri alles mögliche sein mag, er aber gewiss keine Abschiebung in die musikalische Belanglosigkeit verdient hat.           

19 Jahre nach dem Tod von Antonio Salieri 1825 in Wien kommt im russischen Distrikt Nowgorod Nikolai Rimski-Korsakow zur Welt. Er sollte für die Entwicklung der russischen Klassik große Bedeutung bekommen. Rimski-Korsakow beeinflusste Strawinsky und Prokofjew, die beide sein Schüler waren. Er machte sich in hohem Grade verdient um die Werke von Borodin und Mussorgski. In jungen Jahren hatte er es freilich ziemlich schwer, sein musikalisches Talent überhaupt zu entfalten. Die Eltern zwangen ihn in die Offizierslaufbahn; Nikolai musste sich volle sechs Jahre auf einer Kadettenschule der Kriegsmarine seiner Majestät des Zaren herumquälen. Erst 21-jährig durfte er sich eingehend der Musik widmen.

Sein Lehrer und Mentor war dann ein Mann namens Balakirew. Der hielt von systematischer musiktheoretischer Ausbildung wenig, dafür umso mehr von frei-fließendem intuitivem Schöpfertum. Rimski-Korsakow bedauerte diesen Theoriemangel später sehr. Doch scheint ihm die Balakirew-Schule nicht allzu sehr geschadet zu haben scheint, denn schon seine ersten sinfonischen Werke wurden teils vom Publikum begeistert aufgenommen. Das Leben geht manchmal seltsame Wege. Im Falle unseres Komponisten sieht das so aus: Rimski-Korsakow tritt 1871 eine Professur als Kompositionslehrer am St. Petersburger Konservatorium an – danach beginnt er,  sich intensiv mit Musiktheorie und Instrumentenkunde auseinander zu setzen.

Er war anfangs ganz aufs Sinfonische fixiert. 1889 warf ihn dann das Erleben von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ schlagartig von diesem Gleis. Rimski-Korsakow hatte das Musiktheater für sich entdeckt, und es sollte ihn – oder er sollte es – bis zum Lebensende 1908 nicht mehr loslassen. Von ihm hören wir heute die „Dramatischen Szenen - Mozart und Salieri“. Merken Sie etwas? Mit Rimski-Korsakow sind wir weit im 19. Jahrhundert und auf dem Weg in die Moderne. Aber die Sagengeschichte vom mordlüsternen Mozart-Gegenspieler Salieri erlebt immer neue Blüten. Der Komponist greift eine Geschichte von Alexander Puschkin aus dem Jahr 1830 mit dem Titel „Neid“ auf und vertont sie. So wurde die Giftmord-Mär selbst in Russland erst literarischer Gegenstand, dann auch musiktheatralisches Thema. Wieder wird dem fleißigen Handwerker, aber angeblich nur mittelmäßigen Musikschöpfer (Salieri) der göttliche Genius gegenüber gestellt (Mozart).

Wobei Rimski-Korsakow sich in diesem Fall als rechter Schlawiner in eigener Sache erweist. In „Chronik meines musikalischen Lebens“, einer Art Autobiografie, beschreibt er, wie ihm Teile zu „Mozart und Salieri“ frei und ungezwungen aus der Feder fließen. Solcherart Gelingen verbindet der Kult mit dem Genie, schreibt der Kult dem Mozart zu. Und Herr Rimski-Korsakow lenkt beiläufig ein bisschen vom Licht des Genialischen auf die eigene Person. Doch sollte man dem Russen nicht Unrecht tun, denn er machte in besagter Chronik auch etwas, was in der Zunft der Komponisten, wohl in allen künstlerischen Zünften, höchst selten vorkommt: Er diskutiert in seinen Memoiren freimütig die Schwachstellen der eigenen Werke – erstens so wie er sie empfindet und zweitens mit deutlichem Bemühen um objektivierende Distanz. Hut ab, kann man da nur sagen.

Schön wäre freilich gewesen, er hätte dieses kritische und selbstkritische Verfahren auch mal auf den Mozart-Salieri-Stoff angewandt. Aber das wäre wohl zu viel verlangt von einem Komponisten, der sowieso ständig auf der Suche nach märchenhaften und phantastischen Stoffen für sein Opernschaffen war. Und das muss man eben sagen: So wahrheitswidrig die Mozart-Salieri-Story auch ist, und so unrecht sie dem Salieri tut – a scheene G´schicht ist´s halt doch.

Haben Sie viel Freude beim heutigen Konzert. Und denen unter Ihnen, die danach gleich wieder zum närrischen Treiben zurückkehren, seien tolle Resttage und erträgliche Drangsal am Aschermittwoch gewünscht.
 
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