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2005-10-01: Kolumne
Duchsteins Sicht der Kulturwelt
Zweite "Begegnung" von Andreas Pecht :
Inhaber der Buchhandlung Reuffel sprechen über das literarisch-geistige Koblenz
 
ape. Am Weg zur zweiten "Begegnung" im Rahmen unserer neuen Monats-Reihe lauern auf den Autor Verlockungen ohne Zahl: Bücher. Sein Besuch gilt der Buchhandlung Reuffel. Genauer: dem Inhaber-Paar Ruth A. und Eberhard Duchstein. Als seit Jahrzehnten ortsansässige Buchhändler sind sie gute Anlaufstelle für einen, der etwas darüber in Erfahrung bringen will, wie Koblenz literarisch-geistig tickt.
 
So sieht für eine Leseratte der Himmel aus. Fürs Portemonnaie freilich wär"s die Hölle, erläge sein Besitzer flugs erblühenden Gelüsten. Bücher so weit das Auge reicht. Ausgebreitet, hingestapelt, aufgereiht in Räumen, die drei Häuser der Oberen Löhr durchwuchern. Wie sein Hauptgegenstand, die Literatur, scheint der Reuffel-Stammsitz labyrinthisch, gehorcht aber einer wohl erwogenen Ordnung. Indem Eberhard Duchstein einen Aspekt erklärt, lernt der Besucher etwas über des Menschen Seltsamkeit: Ein Umbau im jetzt 60. Geschäftsjahr versetzte die Musik-Abteilung aus dem Hintergrund ins stadtseitige Entree - schwups wächst der CD-Umsatz um 20 Prozent.

Geschäft und Geist, kaum irgendwo sind sie so eng verbandelt wie im Buchhandel. Womit die Frage, ob Koblenz ein guter Ort für dieses Business ist, auch auf die Kulturwelt jenseits der Ökonomie zielt. "Auf jeden Fall", meint der Inhaber, ein waschechter Schängel des Jahrgangs 1949. "Oberzentrum, Verwaltungszentrum, Schulzentrum, ein starkes Bürgertum und eine opulente Kulturszene", so umschreibt Duchstein den örtlichen Markt, der durchaus mehr als eine Buchhandlung nähren könne.

Auf dem Weg zum Monopol?

Inmitten des kühlen De- signs seines sehr aufgeräumten und doch winzigen Büros entspinnt sich eine Diskussion über das Sterben von Buchhandlungen in Koblenz während der vergangenen 15 Jahre. Görres, Cusanus, das Lädchen am Theater, natürlich Bouvier und zuletzt die Buchhandlung am Plan. Wie passt die lange Sterbeliste zur positiven Standort-Bewertung? "Allgemeinen Kulturpessimismus mag ich nicht gelten lassen, so nach der Art, es würde halt kaum noch gelesen", beugt Ruth A. Duchstein vor. Das gebürtige Mayener Mädche" sieht spezielle Ursachen in jedem Einzelfall. Da erkrankte eine Buchhändlerin schwer. Dort gerieten auswärtige Mutterhäuser ins Schlingern, oder fehlte Neugründern einfach das Kapital, um vom Start weg jenes Leistungsspektrum zu bieten, das heute zum Standard in der Branche gehört. Wie auch immer - ist Reuffel nun auf dem Weg zum Buchhandelsmonopol in der Stadt? "Gott bewahre!", entsetzt sich der Hausherr. "Einer allein, das wäre nicht schön, auch nicht gut für die Stadt und das kulturelle Leben."

Sprechen wir über dieses Kulturleben, an dem fördernd mitzuwirken, Teil der Duchstein"schen Geschäftsphilosophie ist. Gibt es in Kob-lenz überhaupt so etwas wie literarisches Leben, eine literarische Szene? Die mitschwingende Unterstellung des ewigen Kritikers will Madam nicht stehen lassen: "Natürlich pulsieren die Verlagsstädte München, Frankfurt, Köln, Hamburg, Berlin ganz anders, aber ..." - dann schnüren meine Gesprächspartner ein Bündel hiesiger Literaturereignisse: Literaturtage des Landes, Schüler-Schreibwettbewerb des Kreises, Jugendbuchwoche des Kulturamtes, Lese-Veranstaltungen der Stadtbibliothek, des "Kollegen Heimes", Breitbach-Preis, Koblenzer Literaturpreis. "Das ist doch was!", triumphiert Ruth A.

Es ist. Vor allem, wenn die Reuffel"schen Aktivitäten hinzugerechnet werden. Was sein muss, denn das seit 1981 systematisch gepflegte Lesungsprogramm der Buchhandlung stellt eine zentrale Säule des literarischen Lebens am Ort dar. Grass, Walser, Widmer, Christa Wolf, Monika Maron, Genazino, Timm, Kunze ... Wer Rang und Namen hat in der deutschsprachigen Literatur, war schon hier. "Darauf ist die Hausherrin recht stolz, gelle?" Sie ist. Zumal die meisten Autoren sich gern an die "kleine Buchhandlung" erinnern, wie Wladimir Kaminer in der "Zeit" schrieb. Die Buchhändlerin habe ihn, so Kaminer, mit der Frage empfangen, was denn seine "Macke" sei. "Begrüßt man so einen Autor von Welt?", entfährt es mir. Ruth A. Duchstein wehrt sich schmunzelnd: "Ich habe nach ,Vorliebe" gefragt, Kaminer hat das mit ,Macke" übersetzt - damit den Sinn allerdings prima getroffen."

Die unzähligen Autorenbesuche böten reichlich Stoff für Verzählches. Das Gespräch geht unterdessen in eine andere Richtung: Kann man die Bezeichnung "Universitätsstadt" für Koblenz mittlerweile ernst nehmen oder ist sie (noch) eher ein Schmucktitel? So darf man natürlich nicht fragen, denn was sollten Geschäftsleute antworten als "ernst". Ein Umweg: Buchhandlungen und Universität sind in den großen akademischen Zentren traditionell Geschwister im Geist. Hat sich die Umwandlung von Kob-lenz zur Universitätsstadt bei Reuffel bemerkbar gemacht? Die Antwort auf den Punkt gebracht: nicht wirklich.

Eberhard Duchstein benennt Fakten, die Wechselwirkungen von städtischem und universitärem Kultur- und Geistesleben erschweren: Universität und Fachhochschule sind klein, die Standorte liegen verteilt und peripher. Bei beiden handelt es sich um Pendler- und Abstecherhochschulen. "Zu wenige Professoren leben hier am Ort. Ich will keinem zu nahe treten, aber auf längere Sicht sollte man über eine Residenzpflicht nachdenken."

Seine Gattin sieht die Notwendigkeit verstärkter Brückenschläge zwischen Campus und Stadt. Ein solcher war etwa die Beteiligung der Buchhandlung an der diesjährigen Sommer-Uni. "Zur Kaminer-Lesung in Metternich kamen 400 Menschen, viele Stammkunden von uns und viele Studenten." Man weiß es an der Uni und ahnt es im alten Koblenz: Bis wirklich zusammenwächst, was zusammengehören soll, braucht"s noch etliche Brückenschläge.

Sie sind kulturaktive Leute, diese Duchsteins, das weiß, wer in der hiesigen Szene rumkommt. Es sind privatim auch kritische Leute, das weiß, wer sie etwas kennt. Bei dieser "Begegnung" jedoch kein böses Wort gegen niemanden. Da halten es die beiden wie in ihrem Laden: Gegenüber dem Kunden wertet der Buchhändler Bücher nicht, zumindest nicht ab; er hilft bei der Suche, vermittelt Passendes, empfiehlt.

Die Wünsche an die Kultur

Weil Kritisches nicht zu haben ist, also der Schwenk auf Wünsche an die Kultur und ihre Verantwortlichen. Frau Ruth A. hat einen konkreten, ihr Mann einen strategisch-allgemeinen. Sie fände es wunderbar, lobte Koblenz einen Stadtschreiber-Preis aus, dank dessen sich Gegenwarts-Autoren von Rang "literarisch mit unserer Stadt auseinander setzen würden". Denn als literarisches Sujet spielt Koblenz in der Moderne eher keine Rolle; sage ich. Die heutige Literatur ist stark polyglott, die Romane der Jungen spielen dort, wo was passiert, in den Metropolen; sagt die Buchhändlerin.

Ergänzen ließe sich: Landschaft, Provinz (pardon!) spielen in der zeitgenössischen Literatur nur als Erinnerungsstoff eine Rolle. Was für Kob-lenz ein Nachteil ist, da in den vergangenen Jahrzehnten hier kaum namhafte Schriftsteller ihre Kindheit oder wesentliche Lebensphasen verbrachten. Gerhard Henschel fällt einem ein, aber der gehört nach Vallendar. Dagmar Leupold, eine Lahnsteinerin; Anngret Held, im Westerwald daheim. Ward wer Wichtiges vergessen?

Herr Eberhard wünscht sich generell eine stärkere Vernetzung der Aktivitäten und Institutionen am Ort: Kooperation und Austausch zwischen Theater, Philharmonie, Bibliotheken, Buchhandel, Uni, Schulen, Clubs; "die Kreise vermischen, neue erschließen und immer über den Tellerrand gucken". Wo er Recht hat, hat er Recht. Aber erst mal bereiten Duchsteins jetzt ihren Besuch auf der Frankfurter Buchmesse vor. Derweil schleppt unsereins einen schweren Sack heim - den Verführungskünsten der Bücher war am Ende doch nicht zu widerstehen.
 
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