Kritiken Theater
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2005-09-27: Theater
Die Wohltat klugen Theaters
Frayns "Kopenhagen" in Koblenz: Vom ewigen Konflikt der Wissenschaft
 
ape. Koblenz. Dies Stück hat keine Handlung. Doch folgt das Publikum Michael Frayns Zweiakter "Kopenhagen" von 1998 bei der Premiere im Stadttheater Koblenz gut zweieinhalb Stunden mit höchster Konzentration. Zwei Männer im Disput über Quantenmechanik und Unschärferelation - sonst böhmische Dörfer, hier Hochspannung erregender Stoff, dessen Umsetzung heftig beklatscht wird. Zum Dank auch für fordernde Durchlüftung des Hirns.
 
Es treten auf: Werner Heisenberg, Fast-Erbauer von Hitlers Atombombe; Niels Bohr, später Mitentwickler der US-Bombe. Die Physiker und Bohrs Frau Margrethe treffen sich "tot und begraben" im Jenseits, um diese Frage zu klären: Warum besuchte Heisenberg im September 1941 im von Deutschen besetzten Kopenhagen den dänischen Halbjuden Bohr? Spionage, Kollaborations-Werbung, Widerstands-Verschwörung, Suche nach Rat? Es gibt diverse Antworten. Sie hier zu verraten, wäre unfein.

Nur so viel. Es stellt sich heraus, dass Erlebtes, Gesagtes, ja die Fakten selbst abhängig sind vom Standort des Betrachters. So im Leben, so in der Wissenschaft. Von der handelt das Stück nicht nur, es ist selbst ein aufs Menschliche angewandtes wissenschaftliches Experiment. Das lehnt sich dem Verfahren an, das Jungphysiker Heisenberg und sein väterlicher Mentor in der glücklichen Phase ihrer Zusammenarbeit vor 1933 pflegten: Scheint ein Ergebnis unstimmig, beginnt die Betrachtung von vorne. So in Kopenhagen, so in erhellenden Variationen auf der Bühne.

Einen "Besuch des Feindes" nennt Margrethe (mit Angelika Bißmeier falsch besetzt) die Visite Heisenbergs, duldet sie nur, weil Bohr verspricht, über Physik, nicht über Politik zu reden. Wie aber trennen, was im Falle Atomforschung un- trennbar ist? Auf der Bühne greifen Disput, Erinnerung, gespielter Rückblick ineinander. In kongenialem Situations- und Charakterspiel entfalten Andreas Weißert als Bohr und Dirk Diekmann (der auch Regie führte) mit intensiver Darstellung ein Universum aus Vorsicht und Enthusiasmus, Hoffnung und Verdächtigung, Gewissheit und bodenloser Ungewissheit. Den Physikern ist klar, was sie der Menschheit antun (können). Schier verschlägt es ihnen darob die Sprache. Aber funktioniert sie überhaupt, die Bombe? Und fort reißt sie der Sog der Erkenntnislust. Es tobt der ewig aktuelle Konflikt zwischen Neugier und Verantwortung, Mach- und Wünschbarem.

Es wird viel geschmunzelt, über Marotten und bübische Kapriolen der Professoren. Wissenschaftler sind auch nur Menschen - ob beim Wandern plaudernd oder das Schicksal der Welt in Händen haltend. Die größten Dinge wirken ins Kleinste und umgekehrt. Gleichgewichtig sind sie in Susanne Cholets wunderbar neutralem Bühnenbild aus leicht ansteigendem Boden vor weitem Rundhorizont unter einem großen Decken-Auge. Eine Laborlampe vielleicht - die beleuchtet, was die drei über sich in Erfahrung bringen, wenn ihnen alles Ausstattungs-Brimborium verweigert wird. Geistvolles Sprechtheater in reinster Form: eine Wohltat.
 
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