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2005-09-03: Kolumne
Rainer Neumann und die Zwänge
Erste "Begegnung" von Andreas Pecht:
Besuch beim Intendanten der Rheinischen Philharmonie
 
ape. Koblenz. 1997 kam er als Intendant zur Rheinischen Philharmonie. Er hat das letzte Jahr der Ära Kluttig miterlebt, hat die Orchestergeschäfte während der Generalmusikdirektion von Shao-Chia Lü und über die schwierige Folgezeit geführt. Mit dem neuen Chefdirigenten Raiskin sieht Rainer Neumann für das Orchester eine lichte Zukunft. Einfach wird die zunächst nicht, denn 2006 soll die Orchesterreform vollzogen sein. 2006 könnte auch für Neumanns ureigenes "Baby", die Mittelrhein Musik Momente, ein Jahr des Umbruchs werden. Wir begegneten dem 47-Jährigen in seinem Koblenzer Büro.
 
Ein Mahl aus Trauben, Äpfeln und Pfirsichen steht parat. "Mögen Sie?", fragt der Koblenzer Orchesterintendant, der 2002 auch zum Chef der Ludwigshafener Staatsphilharmonie bestellt wurde und seither Generalintendant ist. Rainer Neumann schiebt einen Obstteller über seinen modernen Hellholz-Schreibtisch. "Das ist eines meiner ZWEI Büros" pariert er dann meine Eröffnung, in der über "Ihre VIELEN Büros" gefrotzelt wurde.

Wir sind beim ersten Thema: Der Frage nach der Fülle seiner Pflichten. Die begleitet hierorts gelegentlich die unschöne Vermutung, sein Herz hinge eher am größeren und ausschließlichen Sinfonieorchester in der BASF-Stadt. An diesem Punkt gibt es von ihm seit eh und je nur eine Reaktion: Dementi, "Unsinn!".

Zwei gleichgewichtige Wohnsitze, Neumann nennt sie "Nord- und Südwohnung". Zwei gleichgewichtige Arbeitsorte; wir sitzen demnach im "Nordbüro". Das atmet Funktionalität und ist sehr klein. Es reicht aber wohl als Basis für die Erfüllung der Aufgaben, die da wären: Personalchef, Arbeitsdirektor, Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter, Sponsorenpfleger, Diplomat, Gästeverpflichter, Projektentwickler, Konzertagent des Orchesters ...

Womit auch die oft gestellte Frage beantwortet sei, was ein Orchesterintendant den lieben langen Tag treibt, wenn doch die künstlerische Hoheit beim Chefdirigenten liegt. Und wie lebt es sich so auf der Autobahn zwischen Koblenz und Ludwigshafen? "Eine Sache der Organisation, guter Mitarbeiter und guter Autos. Wenn diese Bedingungen stimmen, können die Fahrten auch eine kleine Entspannung sein." Sagt er - und man fragt sich, ob die gemäß Orchesterreform demnächst ebenfalls die A 61 bevölkernden Austauschmusiker es einmal ähnlich werden empfinden können.

Kein Dreier-Intendant

Apropos Orchesterreform. Das Kulturministerium hat unlängst erklärt, es werde keine Generalintendanz für alle drei Landesorchester geben. Ist Neumann enttäuscht, dass er Chef nur zweier Orchester bleibt, obwohl zusammen mit dem Mainzer drei koordiniert werden müssen? Nö. "Es kommt, wie"s kommt, und ich bin ganz glücklich mit dem, was ich habe." Aber eine Dreierintendanz wäre ja doch ein gehöriger Karrieresprung gewesen? "Darüber habe ich mir nie einen Kopf gemacht." Dazu lächelt er jenes wissende Lächeln, das dem Gegenüber zu botschaften scheint: Hallo mein Freund, komm mir doch nicht auf diese Tour. Als gelernter Redakteur kennt der studierte Klarinettist und Musikmagister sich halt aus mit der Zunft journalistischer Fallensteller.

Wie aber wird sie denn nun praktisch funktionieren, die von 2006 an vorgesehene Koordination der drei Orchester? Genaues weiß auch er noch immer nicht. Neuland sei das alles. Was er weiß, ist dies: "Spiel- und Dienstpläne müssen abgestimmt, auch EDV-technisch vernetzt werden. Auf dieses Netz kann der Koordinator dann zugreifen." Wer wird Koordinator sein? "Fragen sie das Ministerium." Genaueres weiß Neumann allerdings über die künftige Minimalkopfstärke der Rheinischen Philharmonie: "66 sind sicher, dafür haben wir das Geld." Wie ist der Stand bei den Tarifverhandlungen für unsere Landesorchester? "Fragen sie das Ministerium."

Dieses Verweisen auf Mainz kann nerven. Aber Neumann ist leitender Angestellter beim Land, sein Dienstherr nun mal Kulturminister Jürgen Zöllner. Die daraus für ihn erwachsenden Zwänge wurden auch während der Proteste gegen die Orchesterreform bisweilen unterschätzt. Die Anfeindungen von damals haben Narben hinterlassen. An persönlicher Nabelschau liege ihm jedoch nicht, es gehe um die Sache. Und doch, im Nachsatz: "Ich kann nicht verstehen, dass immer wieder Funktion und Mensch gleichgesetzt wurden, dass die begreifbar harten Angriffe gegen den Intendanten ihre Fortsetzung auch im Schneiden des Menschen finden."

Der Orchesterstreit war auch für den sonst so unbeirrbar optimistisch auftretenden Rainer Neumann eine schwere Prüfung. Eine weitere könnte folgen: Denn reimt sich der Beobachter diverse Informationen zusammen, dann steht die Zukunft der Mittelrhein Musik Momente in den Sternen. Während der MMM-Chef noch vom in der Tat ansehnlichen Publikumserfolg des fünften Festivaljahrgangs berichtet, grüble ich: Wie ihn bewegen, dass er sagt, was ich aus anderen Quellen schon weiß, er aber nicht oder noch nicht öffentlich verhandeln will, weil noch alles im Fluss ist.

Sei"s drum - schweres Geschütz: Können Sie bestätigen oder dementieren, dass Sie unlängst intern ihren Rücktritt von der künftigen MMM-Leitung angedroht, angeboten oder ausgesprochen haben? Neumann will weder noch. Aber was er in den folgenden sehr ernsten Minuten in sinnenden bis überaus vorsichtigen Sätzen herauslässt, könnte man so interpretieren: Es gibt ein grundsätzliches Nachdenken über die Zukunft des Festivals. Die Richtung ist noch unklar, weil politisch noch unklar ist, wie es mit dem Mittelrhein-Forum als juristischem Träger von MMM überhaupt weitergeht.

Die sehr erfolgreichen Orchesterprojekte werden auf jeden Fall fortgesetzt, denn "das können wir auch alleine machen".

Was Neumann nicht anspricht, ist die Haltung des Kulturministeriums gegenüber MMM - die als etwas distanziert gelten darf. Dass Kulturstaatssekretär Roland Härtel auf das neue "Rhein-Vokal" setzt, ist kein Geheimnis. Härtel und Neumann bemühen öffentlich zwar beide die Formel von den "zwei Festivals, die sich nichts tun". Im Innenverkehr allerdings kann dem Vernehmen nach von besonderer Freude des einen über das Festival des je anderen kaum die Rede sein.

Viel Liebe für Raiskin

Jetzt mal wieder was Positives. "Auf so einen hat das Orchester gewartet; wie damals bei Lü war es eine Art Liebe auf den ersten Blick." Der Intendant schwärmt vom neuen Chefdirigenten Daniel Rais-kin ebenso wie die Musiker, die mir später begegnen. Als Agent des Orchesters spekuliert er natürlich auch auf die Vielzahl von Kontakten zur großen Musikwelt, die Rais-kin in die Ehe mitbringt. Im Görreshaus ist Aufbruchstimmung angesagt. An der Tür zum Büro gleich neben dem Neumanns hängt schon das Namensschild des neuen Pultmeisters.

Und noch mal Positives. Die lange geplante, im Zuge der Orchesterreform noch dringlicher gewordene Stiftung zur Unterstützung der Rheinischen Philharmonie werde jetzt gegründet. Herbert Grohe, als Vorsitzender des Freundeskreises der Rheinischen Philharmonie federführend bei der Stiftungsvorbereitung, bestätigt nachher die feste Absicht einer zeitnahen Gründung noch in diesem Jahr.

Das Gespräch neigt sich dem Ende zu. Ein kleiner Schlenker flugs zum Mozart-Jahr 2006, von dem man im Frühjahr den Eindruck gehabt hat, es könne als konzertierte Großaktion hiesiger Veranstalter und Institutionen ein glanzvolles Gesamtkunstwerk werden.

Den Eindruck seines Besuchers, die Mozart-Bewegung am Ort wirke im Moment doch eher wieder etwas zerfasert, mag Neumann nicht kommentieren. Nur das: "Mir wäre lieber gewesen, Karl-Jürgen Wilbert hätte die Bündelung der Aktivitäten nicht abgegeben. Jetzt liegt der Ball im Spielfeld des Stadtmarketings. Wir jedenfalls werden das Unsrige zum Mozart-Jahr beitragen."

Schon in der Tür, noch eine Schlussfrage: "2007 stehen Sie - wie auch Frau Ritzel - zur Verlängerung an. Wollen Sie überhaupt verlängern?" Die an Facetten reiche Antwort klingt auf Tagesschau-Format geschnitten so: "Würde man mich jetzt fragen, ich wäre nicht abgeneigt."
 
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