Kritiken Theater
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2005-07-05: Theater
Herausforderndes Sommertheater
"One Charming Night" eröffnete Theaterfestival an der Nahe: Barockes Schäferspiel trifft Lustkammer des Marquis de Sade
 
ape. Idar-Oberstein. Der jetzt gestartete "Theatersommer Schloss Oberstein" ist ein eher kleines Festival. An die bislang 25 000 verkauften Karten der Burgfestspiele Mayen reicht der Gastspiel-Zyklus in Idar-Oberstein im Traum nicht heran. Inhaltlich allerdings wird an der Nahe etwas geboten, was es sonst im -Gastspiel mag als Beispiel dienen: Es konfrontiert auf kunstvollem Weg mit menschlichen Abgründen.
 
Als Dunkelheit sich über Schloss Oberstein senkt, sickert aus dem alten Gemäuer eine geisterhafte Kakofonie. Sind"s Schmerzensschreie gefolterter Seelen in den Verliesen? Ist"s Lustgekreisch enthemmter Leiber in den Kemenaten? Beides. Überm Nahe-Tal logiert für einen Abend der Marquis de Sade, treibt sein Spiel mit den Abgründen der Begierde.

Mitten drin wir, die Zuschauer dieses Theaters. Nur eine Hand von den Mimen entfernt, deren Schweiß uns umweht, deren schneidender Blick neue Opfer zu suchen scheint. Der dritte Akt des Eröffnungsgastspiels beim "Theatersommer Schloss Oberstein" ist eine Art Reality-Theater, dem das in Gruppen geteilte Publikum an mehreren Stationen im Innern der Ruine ausgesetzt wird.

Sylvano Bussottis avantgardistisches Musiktheater "La passion selon Sade" von 1965 führt als eingeschobener Mittelteil Henry Purcells Barockoper "The Fairy Queen" (1692) ins leidenschaftliche Extrem weiter. Die Pocket Opera Company Nürnberg hat ihre "One Charming Night" genannte Verknüpfung an die Gegebenheiten des Schlosses angepasst. He-rausgekommen ist ein Abend des Entzückens wie des Entsetzens. Unter freiem Himmel lebt er mit Purcell vom Spiel poetischer wie frivoler Momente aus Shakespears "Sommernachtstraum".

Drinnen in den Gewölben entfaltet er - bisweilen etwas kapriziös - die beklemmende Schwüle de Sadescher Obsessionen. Neckischer Auftakt auf der unteren Schloss-Terrasse: Besoffener Dichter und Gesellen schmeißen zur barocken Gartenmusik den Stadtmüll von sich. Auf den Zinnen locken Nachtfee und Feuer speiender Satyr ins Reich der Theaterträume. Ein die senkrechte Mauer herabschreitender Puck ruft zum Ortswechsel. Ein Saxofonquartett geleitet zur Hofbühne, wo sommernachtstraum-mäßig der Sinnlichkeit sehr guter Sänger eingeheizt wird.

Bis dahin ist "One Charming Night" ein frivoles Schäferspiel zur reizenden - in Idar-Oberstein sehr ordentlich gegebenen - Musik von Purcell. Danach geht es räumlich wie atmosphärisch in jenes düstere Reich, das schon bei Shakespeare unter der harmlosen Oberfläche lüstlichen Verwirrspiels lauerte.

Und wie bei Shakespeare endet der (Alb-)Traum in einem Gegenwarts-Fest. Das mündet auf Schloss Oberstein jedoch in ein neues - inszenatorisch ein bisschen zerfasertes - Schreckensszenario ein: Nun der eigenen Leiblichkeit entfremdet, saugen die Pro-tagonisten synthetischen Glücksrausch aus Plastikschläuchen. Starke Bilder, heftige Gefühle, provokative Blickwinkel und ungewöhnliche Verknüpfungen: So wunderbar herausfordernd kann Sommertheater sein. Man muss nur wollen. Und Idar-Oberstein will.
 
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