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2005-06-20: Konzert
"RheinVokal" startet dramatisch
Aufrührender und spannender Festival-Auftakt in Koblenz mit fast unbekannten Großwerken von Mozart und Martinu
 
ape. Koblenz. Mit einem live im Rundfunk übertragenen Eröffnungskonzert schickte eine Kooperation aus Land, SWR und acht Kommunen am Samstag das neue rheinland-pfälzische Festival "RheinVokal" in den ersten Jahrgang. In der Koblenzer Kastorkirche setzte die begeistert aufgenommene Realisation von ganz selten aufgeführten Chorwerken Mozarts und Martinus hohe Maßstäbe für die folgenden 19 Konzerte zwischen Bingen und Bad Neuenahr-Ahrweiler.
 
Umstandslos sei attestiert: Der Auftakt zu "RheinVokal" war von besonderer Güte. Zwei Großwerke, denen kaum einer der Zuhörer im klassischen Konzertleben vorher je begegnet ist. Musiziert von einem exquisiten Orchester und einem der besten Chöre, die wir in Deutschland haben. Mit Sylvain Cambreling von einem ebenso empfindsam wie präzise und klug agierenden Meister seiner Zunft dirigiert.

Sechs Monate vor Beginn des Mozart-Jahres konfrontierte "RheinVokal" mit einem nahezu unbekannten Wolfgang Amadeus: "Thamos, König in Ägypten", das sind Chöre und Zwischenaktmusiken zu einem heroischen Schauspiel im Geiste der modischen Ägypten-Fantastik des 18. Jahrhunderts. Die jetzt gehörte Fassung schuf Mozart vermutlich 1779. Liebe, Intrige, Umsturz zur Zeit Echnatons - eng an die Handlungsatmosphäre angelehnt, entfaltet Mozarts Musik im Ringen zwischen Licht und Finsternis hochdramatische Wirkungen.

Kaum eine Spur von Mozarts sonstiger Verspieltheit. Dafür in manchen Passagen ein seiner Zeit weit vorausgreifender, schier spätromantischer Impetus, dem Cambreling ordentlich Luft lässt. Eingebettet in mächtig auftrumpfende Orchesterklänge, verherrlichen gewaltige Chöre Sonne und Götter. Zum Ende hin wirft in einem letzten Orchesterzwischenspiel furiose Unwetter-Malerei mit Blitz, Donner und Sturm den ärgsten Bösewicht nieder.

Der Kirchenakustik wegen hatten die Zuhörer bis dahin das SWR-Vokalensemble Stuttgart "nur" als geschlossenen, sehr schön dynamisierenden Klangkörper wahrnehmen können. Im zweiten Teil, bei Bohuslav Martinus Oratorium von 1955 zum babylonischen "Gilgamesch-Epos", offenbarte sich dann das Können dieses von Sparmaßnahmen bedrohten Chores in seiner ganzen Bandbreite und Großartigkeit.

Geisterhafte Schwebeklänge aus den Grenzbereichen der Tonalität, kompliziert kunstvolle Polyphonien, archaisch bis spätromantisch aufschäumende Harmonik, einsames Grübeln oder bombastisches Aufbrechen sämtlicher Himmel und Höllen: Der Chor ist nahezu perfekt, pulst in je angemessener Beseelung. Er atmet den Geist dieses Werkes, das in einer unglaublichen, bisweilen überbordenden Ideenfülle musikalisches Material von der Frühzeit bis zur Moderne verarbeitend an sich reißt. 36 Stimmen sind"s, auf 24 soll das Ensemble schrumpfen - was haushälterisch sinnvoll scheinen mag, wäre künstlerisch ein schrecklicher Verlust.

Dem Chor galt deshalb besonderes Interesse. Zur großartigen Gesamtleistung trug das inspiriert aufspielende SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg nicht minder bei. Ebenso die Solisten, vorneweg der klangschöne wie klangmächtige Bariton von Wojtek Drabowicz.

Nachbemerkung: Beim Pausengeplauder keimte ein Verdacht, der durch Blitzrecherche am gestrigen Sonntag erhärtet werden konnte: Mozarts "Thamos"-Musik wurde durch die von Kurfürst Wenzeslaus engagierte "Böhmsche Truppe" vermutlich im Jahr 1787 in Verbindung mit einem anderen Schauspiel schon einmal in Koblenz aufgeführt. So schlug "RheinVokal" jetzt auch eine regionale musikhistorische Brücke - über 218 Jahre.
 
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