Kritiken Theater
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2005-05-03: Theater
Knapp auf den Punkt gebracht
Michael Thalheimers radikale Reduktion des Goethe-Klassikers ist ein kleines Wunder
 
ape. Wiesbaden. Das erste Sprechtheater-Gastspiel beim Wiesbadener Maifestival - und gleich ein Höhepunkt an Kunst wie an Irritation. Das Deutsche Theater Berlin präsentierte mit Michael Thalheimers Inszenierung den Goetheschen "Faust I" in seltener Kürze: Nach knapp zwei Stunden haucht das blutüberströmte Gretchen (Regine Zimmermann) ihr Leben aus. Danach noch: Eiliger Abgang von Herrn Faust (Ingo Hülsmann), hinterdrein schlendert ein beiläufig grinsender Mephisto im Schlabberpulli (Sven Lehmann).
 
Prolog im Himmel, Vorspiel auf dem Theater, Walpurgisnacht, Hexenküche, Auerbachs Keller - verschwunden sind die berühmten Szenen allesamt. Man verzichtet ungern, aber seltsamerweise geht es auch ohne. Der Teufelsritt von Fausts Studierstube quer durch die Welt, er findet bloß im Kopf statt; musikalisch unterfüttert von Deep Purples "Child in Time".

"So wenig Faust war nie", wird vereinzelt im Parkett moniert. Der starke Beifall spricht indes von Faszination. Leer und schwarz die Bühne, nur an der Rampe ein Wasserglas. Später zwei weitere Requisiten: Kästchen und Gretes Pritschenbett. Nichts sonst, außer sprechenden, rezitierenden, deklamierenden, monologisierenden Einzelmenschen - deren Handeln ebenso sparsam ist wie ihr dialogisierendes Miteinander.

Aber was heißt hier sparsam. Wo anderweitig tausend Gesten, Gänge, Ausfälle, Kulissen, Requisiten, Kostüme gebraucht werden, genügt hier eine meisterliche Betonung in Wort, Körperhaltung oder Mimik, um zu sagen, was zu sagen ist. Völlige Denaturalisierung und radikale Reduktion auf die Kernessenz betreibt Thalheimer auf allen theatralischen Ebenen, von der Story über das Spiel bis zur Beleuchtung.

Sprechen wird Mittelpunkt des Geschehens, damit Inhalt, damit Goethe, damit Literatur - damit auch wieder Menschentragödie. Nie erforderte ein "Faust" solches Hinhören. Nirgendwo wurde einem der Sprachrhythmus je so greifbar, wurden die auch darin verborgenen Botschaften offenbar. Zwei Mal muss sich Sprache geschlagen geben: Als Faust liebt, kann der Teufel bloß noch brabbeln, und auf Gretes penetrantes Insistieren "Glaubst du an Gott?" Faust nur mehr entnervt krakeelen. Dass so wenig "Faust" so viel "Faust" sein kann - fast ein Wunder.
 
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