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2005-04-26:
Kultursommer will Fakultäten ins Gespräch bringen
Blick auf eine schwierig gewordene Beziehung
 
ape. "Kultur und Wissenschaft": Das Motto des Kultursommers Rheinland-Pfalz 2005 bringt eigentümliche Kooperationen zuwege. Mittelrhein Musik Momente, Uni Koblenz und Kultursommer veranstalten im Juni gemeinsam das Festival "3klang", das Musiker, Philosophen, Schriftsteller und Hirnforscher zusammenführt. Sich fremd gewordene Fakultäten suchen die Diskussion miteinander - knüpfen so auch an gemeinsame Wurzeln in Antike und Renaissance an.
 
Die Verbindungen, die der Kultursommer unter dem Motto "Kultur und Wissenschaft" herzustellen versucht, kommen nur dem modernen Menschen seltsam vor. Die Trennung von Kunst, Wissenschaft, Theologie und Philosophie in voneinander isolierte Fachrichtungen ist eine Erfindung jüngerer Geschichte. Noch Goethe und Zeitgenossen galten wissenschaftliches und künstlerisches Tätigsein als zwei Seiten einer Medaille. Der Dichterfürst selbst wirkte auch als Forscher; Freund Schiller, der gelernte Mediziner und Beinahe-Theologe, versank oft auch in historische und philosophische Studien. Mit dem Humboldtschen Ideal allseitiger Bildung verschwinden jetzt allerdings die letzten Reste einstiger Gelehrten-Selbstverständlichkeit aus unserer Gegenwart totaler Arbeitsteilung.

Ihre Glanzzeit feierte die Maxime universeller Gelehrtheit in der Antike, nachher noch einmal in der Renaissance - dort personifiziert im wissenschaftlich-künstlerischen Multigenie Leonardo da Vinci (1452-1519). Bei ihm gingen Forschung und Kunst Hand in Hand, die Eigenart seiner Gemälde rührt nicht zuletzt aus seiner genauen Naturbeobachtung, vor allem seinen anatomischen Menschenstudien. Im sezierten Körper glaubte er die wahre Schönheit des Wunderwerks der Schöpfung zu erkennen.

Solche Sichtweise auf wissenschaftliche Erkenntnis wurde nur schwer Allgemeingut. Die Entdeckungen von Kopernikus und Galilei stürzten das gesamte aus dem Mittelalter überkommene Weltbild vom Sockel: Die Erde sollte nicht länger Zentrum des Universums sein, sondern bloß noch Partikel in einem unendlich größeren, sich selbst organisierenden Schöpfungswerk.

Auf die Kopernikanische Wende folgten später die Darwinschen Evolutionserkenntnisse, Dampfmaschine, Elektrizität, Atombombe, Genetik, Neurobionik ... Die Philosophie war neu zu schreiben, die Bibel auf andere Weise zu interpretieren. Und die Künste? Sie fungierten bald als Verbreiter des neuen Denkens, bald als Herzenswärme stiftende Beheimatung heimatlos gewordener Menschen. Je wissenschaftsgläubiger die Wissenschaft wurde, umso mehr wurden die Künste zu Kassandra-Rufern, zu Bedenkenträgern, zu Warnern oder Anklägern.

Denn wo die Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit auf Ding und Sache richtet, hat die Kunst deren Wirkung auf Individuen und deren Zusammenleben im Auge. In Hauptmanns "Weber" wird die technisch-industrielle Revolution als Menschenschicksal thematisiert, in Dürrenmatts "Physikern" die Verfügbarkeit von Wissenschaft für politischen oder ökonomischen Missbrauch.

Die Beziehungen zwischen Kultur und Wissenschaft sind gespannt, seit der Eindruck entstand, in der Wissenschaft werde letztlich alles gemacht, was machbar ist. Im 20. Jahrhundert war die "perfide Erfindung" der Atombombe Stein des Anstoßes. Zu Beginn des 21. sind es die Genforschung und neuerdings die Hirnforschung. Dass wir nicht länger Herr unseres Ich sein sollen, sondern entweder Sklave unserer genetischen Veranlagung oder aber des nicht steuerbaren Neuronen-Feuerwerks in unseren Hir-nen, muss nicht nur die Künste auf die Palme bringen.

Was aber, wenn die Wissenschaftler objektiv Recht haben? Schiller perdu? Denken nur Mummenschanz? Kunstgenuss bloß Tinnef? Freiheit des Individuums schiere Illusion? Fragen über Fragen, deren Beantwortung des gemeinsamen Diskurses von Kultur und Wissenschaft bedarf. In diesem Sinne kommen das Motto des diesjährigen Kultursommers und die damit verbundenen Kooperationen gerade zur rechten Zeit.
 
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