Kritiken Theater
eMail an pecht.info • eMail to pecht.info • contact pecht.infoeMail
zum Artikel
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2005-03-10: Theater
Spiel in einem sterilen Labor
Bonner Inszenierung des Büchner-Fragments bietet wenig Packendes
 
ape. Bonn. Georg Büchners Dramenfragment "Woyzeck" als Laborexperiment, das seinerseits das Stück noch weiter fragmentiert und sein Personal gleich mit. Acht Schauspieler in einen klinisch sterilen, neon-kalten Kasten ohne Türen gesperrt, der zwar die volle Breite der Godesberger Bühne des Theaters Bonn füllt, aber nur minimale Tiefe hat (Ausstattung: Franz Lehr). Das Leben, das wirkliche, bleibt draußen. Manchmal lüpft sich die Laborwand auf Augenhöhe, lässt einen Blick hinaus zu. Dorthin, wo (in Filmsequenzen) Affen die Rangfolge auskämpfen, Gazellen von ihresgleichen besprungen oder vom Leoparden gehetzt und geschlagen werden.
 
Draußen die Natur, die einem "eben kommt". Drinnen spiegelbildlich die Psychologie, jenes Experiment des Menschseins, von dem Stefan Ottenis 80-Minuten-Inszenierung niemanden ausnimmt. Die Menschenwelt ist ein Laborkäfig, in dem auch den Experimentatoren - Doktor (Verena Bukal) und Hauptmann (Günter Alt) - die Funktion von Laborratten zugewiesen wird.

Eingesperrt wie diese acht, kann man nur verrückt werden. Weshalb Woyzeck in Bonn ein Irrer unter lauter gleichartig Irren ist. Das hat seine Logik, bringt aber leider auch die Schwierigkeit mit sich, dass die Titelfigur ihre erhellende Reibungsfläche, das Stück seine sozialen Dimensionen und obendrein seinen Erzählstrang verliert. Wer die Geschichte vom armen Soldaten und Versuchskaninchen Woyzeck, der seine untreue Marie ermordet, nicht kennt, kriegt Probleme. Wer sie kennt, auch: Denn die nur noch vagen Teilchen, die Otteni von Georg Büchners Fragment übrig lässt, verdichten sich zu keinem Theaterganzen.

So bleibt ein befremdliches Spiel mit vielen Fragezeichen und wenigen packenden Momenten, für die allemal Raphael Rubino (Woyzeck) und Patrycia Ziolkowska (Marie) verantwortlich sind. Wenn an der Frau die Lust auf den anderen Mann hier und Bindung an den eigenen da zerren, flirrt für Augenblicke Lebensrelevanz durch die Szene. Wenn Woyzeck wie eine unter Überdruck stehende Dampfmaschine gegen den Laborkasten anrennt, begrüßt man dies Wüten als lange erwarteten "normalen" Reflex. Der stünde allen Insassen zu, doch statt zum Hammer zu greifen, vollziehen die armen Kreaturen bloß Ersatzhandlungen: krudes Tänzchen zu luftiger Pop-Musik. Zuschauer, merke auf, du bist gemeint.

Und irgendwie schaffen Woyzeck und Marie dann plötzlich, was vorher undenkbar war: Der ganze Laborkasten fährt in den Keller, unser Paar kraxelt munter heraus und landet im Pool vor gemaltem Naturparadies. Darin geht lüstliche Plantscherei in viehische Abstecherei über. Auf dem Wasser treibt hernach a scheene Frauenleich" - gleich drauf ist das Spiel aus. Von dem erfuhren wir erstens nichts Neues und zweitens noch weniger, als hätte man die 1836 entstandene Woyzeck-Geschichte einfach runter erzählt.
 
was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an pecht.info • eMail to pecht.info • contact pecht.infoeMail
zum Artikel
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken