Kritiken Theater
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2005-02-19: Comedy-Sketch
Schriller Schalk im Stundenhotel
Janusz Kica inszenierte den Boulevard-Schwank "Floh im Ohr" als Comedy-Sketch mit  Überlänge
 
ape. Mainz. Die Premiere sollte am Schwerdonnerstag ein Theaterbeitrag zum fastnachtlichen Angriff auf die Lachmuskeln werden. Doch weil das Ensemble kränkelte, konnte Georges Feydeaus Boulevard-Renner "Floh im Ohr" am Mainzer Staatstheater erstmals acht Tage nach Aschermittwoch vom Publikum lauthals belacht und eifrig beklatscht werden.
 
Das ist so eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt, zumindest am Anfang des knapp dreistündigen Abends im kleinen Mainzer Haus: Madame Chandebise findet in der Post ein Päckchen, das Hosenträger ihres Gatten enthält. Absender ist das Hotel "Zur zärtlichen Miezekatze". Schon hat die Frau einen "Floh im Ohr" - beißende Eifersucht auf eine vermeintliche Geliebte, mit der ihr Mann Victor-Emmanuel in jenem Etablissement womöglich das treibt, wozu es neuerdings im bürgerlichen Ehebett nicht mehr reicht.

Eifersucht ist die Energie, mit der der französische Autor Georges Feydeau (1862- 1921) die Mechanik seines 1907 uraufgeführten Schwanks in Gang setzt. Anschließend schnurrt das Räderwerk aus Typen und Verhaltensmustern fast von alleine durch die drei Stückakte. Dem Traditionsaufbau des Genres folgend, schäumt der Mittlere auch in Mainz auf zur turbulenten Raserei eines Verwechslungs- und Verfolgungsspiels in der "Miezekatze". Dorthin hatte Madame mit einem von ihrer Freundin Lucienne geschriebenen anonymen Lockbrief den Gatten zum fingierten Stelldichein locken wollen, um so den vermeintlichen Ehebrecher zu überführen.

Daraus wird nichts. Stattdessen schleicht, stolpert, rennt, prügelt, kreischt bald der ganze Chandebise-Hausstand durch Treppenhaus, Flure und Liebesnester des Hotels (Bühne: Kaspar Zwimpfer). Andernorts wurde die Lokalität gern in Schummerlicht getaucht, Regisseur Janusz Kica lässt in Mainz das Tohuwabohu in der Lustherberge voll ausleuchten. Andernorts erfuhren Tempo, Lautstärke, Dichte allmähliche Steigerung, in Mainz gibt Kica sehr schnell sehr viel Gas - und muss dann das vorgelegte Furioso über eine viel zu lange Strecke halten.

Gutes Boulevardtheater ist heikel, will genau und sparsam gearbeitet sein. Die großartigsten Pointen ergeben sich oft aus Kleinigkeiten, sofern sie richtig gesetzt und geformt sind. In dieser Hinsicht liefert Stephan Bieker die herausragendste Spielleistung des Abends ab. Wunderbar die Waage zwischen Trotteligkeit und Alltagsweisheit, zwischen subalternem Außenseitertum und lüstlichem Eigeninteresse haltend, webt er deutlich, aber unaufdringlich den Sprachfehler seines Camille als urkomischen Running Gag ins Geschehen. Neben Bieker gefällt Thomas Kienast gerade durch Zurückhaltung in seiner Doppelgängerrolle als Victor-Emmanuel und Hoteldiener, die die Handlung in schieren Irrwitz treibt .

Gibt Stefanie Kampe ihrer Lucienne wenigstens noch einige doppelbödige Facetten mit, so wird bei Andrea Quirbachs Darstellung der Madame Chandebise die Hauptschwäche der ganzen Inszenierung signifikant: knallig, laut, direkt auf den komischen Effekt abzuzielen. Darauf legt es Kica offenbar an, was seine Inszenierung vorhersehbar und schrill macht. Aus dem genialen Boulevard-Schwank Feydeaus wird eine Art Comedy-Sketch mit Überlänge. Das wird dem Stück nicht gerecht und lässt die meisten Bühnenakteure qua Eindimensionalität auch noch ziemlich blass aussehen. Wir haben viel und laut gelacht. Zum Schmunzeln hat es aber leider nicht gereicht.
 
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