Kritiken Theater
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2004-09-27 Ballettkritik:
Tanz pulst im Trommelschlag

Ballett-Uraufführung in Koblenz: Anthony Taylor choreografierte in "Südliche Nächte" Ethno-Jazz
 
ape. Koblenz. Ballettchef Anthony Taylor hat dem Stadttheater Koblenz einen bemerkenswerten Abend choreografiert. "Südliche Nächte" sind die zu drei Gruppen gebündelten sieben Tanznummern überschrieben. Der Titel lässt an Italienisches, Spanisches denken, an Tarantella und Flamenco. Statt dessen lockt die zwölfköpfige Ballettcompagnie, gut gelaunt und prima eingestellt, hinunter nach Afrika, hinüber nach Südamerika, hinein ins so fremde Asien.

Bemerkenswert das Konzept von Taylors Ballett-Abend am Koblenzer Theater: Die gesamte Produktion gründet auf Schlagwerkmusik (vom Band) der Kategorie Ethno-Jazz. Melodik und Harmonik treten ganz beiseite, der Tanz pulst im Rhythmus von Trommeln jeden Kalibers. Zu Beginn eine beunruhigend martialische Phase, das von Aron Lengyel getanzte Prolog-Solo "Lift off", in dem ein Jüngling (etwas langatmig) die Körpersprache des Machismo zu erproben scheint, dann unter dem kriegerischen Geknatter von Hubschrauberrotoren das Fürchten lernt.

Es entstehen ebenso sehr leichte, schwebende Phasen. Etwa im anschließenden "Gainsborough", in dem eine stilistisch von Jazz- bis Spitzentanz aufgefächerte Compagnie-Präsentation durch schwingende, fließende wie wadenlange Kleider der Damen fabelhaft unterstützt wird. Bühne(n) und Kostüme von Siegfried E. Mayer verstärken in mehrfachem Wechsel sehr ansprechend tänzerischen Ausdruck und atmosphärische Intention der Choreografie.

Bemerkenswert, dass Taylor wieder einmal unerwartet sich auf für ihn völliges Neuland wagt. Mit "Djibala" erobern afrikanische Trommelrhythmen eine jetzt von grün hinterleuchteten Streifenvorhängen umfasste und von feuerrot gefärbtem Riesenkreis überspannte Bühne.

Die Choreografie meidet die Lockungen wohlfeiler Folkloristik, nutzt die körpersprachlichen Eigenarten afrikanischen Tanzes zur Verfremdung, Bereicherung des Taylorschen Figurenrepertoires. Sitzende und liegende Stellungen, nach vorn gerundete Körper, vollsohlige Erdhaftung, das eigenständige "Sprechen" einzelner Körperteile: Es entstehen spannende Korrespondenzen zu den alten europäischen Tanzidealen vom gerade gestreckten Körper oder von der Bodenablösung durch Spitze und Halbspitze.

Bemerkenswert, dass trotz (oder gerade wegen?) der musikalischen Reduktion auf getrommelten Rhythmus, ein stilistisch vielfarbiger und ungemein sinnlicher Abend entsteht. Der schäumt nach zwei Stunden und zwei Pausen aus mit einem knalligen Tanz-Tutti aus Elementen diverser Gesellschaftstänze mit Schwerpunkt auf Tango und Samba.

Da wird denn in geschlitzten Moderöcken und auf Tanzpalast-Pumps eine kräftige Portion Parkettkulinarik geboten. Dem gehen zwei teils sehr starke Nummern voraus, die tanzkünstlerische Ausformungen von Paarbeziehungen zeigen: zum einen unter Bedingungen asiatischer Strenge (das Sextett "Raikuichi Nanaza"), zum andern als modern gebrochenes Pas de deux klassischen Zuschnitts ("Wysiwyg" betitelt). Dieses Pas de deux bringt Ross McDermott, den "Altmeister" unter den Koblenzer Tanzherren, und die jüngst erst prächtig erblühte Irina Golovatskaia zueinander. Deren Zusammenspiel war bei der Koblenzer Premiere eine eigene Klasse. Wie auch Yolanda Bretones Borra an anderer Stelle, demonstrierten diese beiden hinreißend, dass gekonnter Tanz eine Sache ist, dass aber Tanz als beseelte Kunst erst jenseits der technisch beherrschten Formen beginnt.

   Andreas Pecht
 
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