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2004-09-14 Schauspielkritik:
Eine Mädchenband rockt "Die Räuber" ins heraufziehende Schiller-Jahr

Regisseur Peter Kastenmüller bringt das Jugendwerk des Klassikers am Schauspiel Frankfurt auf und unter die Bühne - Eine Verhackstückung zum 200. Todestag des Autors
 
ape. Frankfurt. Einer muss ja anfangen mit dem Gedenken anlässlich des 200. Todestages von Friedrich Schiller am 9. Mai 2005. Wie schon im Goethe-Jahr 1999 (250. Geburtstag) hat auch diesmal das Schauspiel Frankfurt den Part übernommen, als erste Bühne in der Region mit einem Zentralwerk des zu feiernden Klassikers die ins Jubeljahr führende Saison zu eröffnen. Was damals der "Faust" war, sind jetzt "Die Räuber".

Als 18-Jähriger begann Schiller mit der Arbeit an diesem Kernstück des Sturm und Drang. Ein Jugendwerk also, eines, das von den Kämpfen und Krämpfen der Jugend handelt, von Unbotmäßigkeit und Renitenz, von wüstem Aufbegehr gegen die Konvention der Altvordern und Machtgeilen. Ein Werk, in dem die Helden Liebe in Freiheit suchen, alles kurz und klein schlagen, da sie ihnen verwehrt wird. Ein Stück, das nach Übertragung ins Heute schreit, das bei vorherigen Aktualisierungen schon rote Proletarierzellen, RAF-Anarchisten, braune Jugend- oder schwarzlederne Rockercliquen als Karl Moors Räuberbande vorführte.

Wo und wie immer Jugend quer zur gesellschaftlichen Norm liegt, liegen Schillers "Räuber" richtig. Denn das Gefühl von Aufsässigkeit und Ausgestoßensein ist zeitlos - konveniert in unsern Tagen mit dem, was Rock und Punk und Rap an Lebensgefühl transportieren (können). Abwegig ist deshalb nicht, dass Regisseur Peter Kastenmüller in Frankfurt die Mädchenband "Ida Red" auf die Hinterbühne stellt, auf dass die Girls es zum brachialen Räuberspiel auch brachial krachen lassen.

Neu ist diese an sich gute und legitime Idee nicht; wir sahen's ähnlich vor Jahren schon in Mainz, in Köln auch. Neu ist, dass Kastenmüller mit der Aktualisierung dem Stück zugleich den meisten Schiller-Text austreibt. Als Bindeglieder lässt er einige Passagen schnoddrig herbeten, ein paar Kernaussagen werden Parolen-artig hinausgebrüllt - eine Verhackstückung ist das, die vom übrigen Inszenierungskonzept in keiner Weise rechtfertigt wird.

Kastenmüller interessierte sich, sagt er, insbesondere für den Gefühlshaushalt der Protagonisten, für das "Verschmelzen" junger Leute zur Moor-Bande. Der Anfang des Abends weckt allerlei Neugier in diese Richtung: Auf der großen Bühne der Schauspielhauses entfaltet sich hektisch und laut die Spannungsatmosphäre der letzten Phase des Bühnenaufbaus für ein Rock-Konzert. Moors Bande stellt die Rowdies, eine Truppe zwischen rüder Muskelkraft und kindlicher Verspieltheit.

Licht- und Krach-durchflutet ist diese Welt, von der aus der Weg der Outlaws über heftig bewegte Bühnenmaschinerie bald hinab ins triste Grau der Unterbühne führt. Unterwegs geht im Zuschauerraum verloren, wer seine "Räuber" nicht im Kopf hat. Denn die Inszenierung hat mit der Original-Handlung wenig zu schaffen, weiß aber auch keine andere an deren Stelle zu setzen. Kastenmüllers "Räuber" erinnern nur irgendwie an die "Räuber".

Es soll hier nicht "Werktreue" gefordert, aber Sinnhaftigkeit verlangt werden. Vor allem: Sinnhafte Ausführung von interessanten Ideen. Doch die Mädchenband bleibt Staffage, elektro-schnurrig untermalend bis lautstark dazwischenfunkend. Die Räuber-Bande spielt entschlossene Hoffnungslosgkeit, von gruppendynamischen Prozessen keine Spur. Wolfgang Gorks bleibt ein indifferenter Karl, Gunnar Teuber ein unfassbarer Franz, mit dem Amalia (quirlig: Katrin Grumeth) auf 'nem Klavier rummacht.

Zum Ende entbrennt ein sportiver Wettstreit, wer als nächstes zur Gruppe der Gestorbenen wechseln darf. Hätte die Inszenierung mehr auf Schauspielerei denn (bisweilen durchaus originelle) Effekte gesetzt, man würde vielleicht vom Gesehenen her begreifen, warum hier die Toten so fröhlich sind.    Andreas Pecht
 
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