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2003-12-15 Buchtips:
Drei Romane und drei Biografien
zum Verschenken

Von Christoph Peters' Istanbul-Traum bis zu Immanuel Kants Welt-Umwälzung

ape. Die schönsten Geschenke sind natürlich solche von "bleibendem Wert". In Bezug auf Gedrucktes meint das: Romane, die man später gerne ein zweites und drittes Mal liest; Sachbücher, auf die man nachher zwecks Vergewisserung wiederholt zurückgreift. Bücher eben, die Hirn und Herz ergreifen, erhellend beglücken - wie das bei den nachfolgend aufgeführten Empfehlungen der Fall sein kann.
 
Richten wir zuerst den Blick auf die Romane, und begeben uns also sogleich aufs glatte Parkett des Geschmäcklerischen. Drei aktuelle Lebensabenteuer seien empfohlen, deren schriftstellerische Ausformung durchaus nicht jedem Leser runter geht wie Öl, sich nicht von alleine liest, nicht automatisch in einen Erlebnis- Rausch versetzt. Keine Schmöker sind's, sondern drei Mal Literatur, geschriebene Kunst also, die aktiv angenommen, engagiert durchdrungen, offenen wie kreativen Geistes "konsumiert" sein will - und auf diese Weise dann auch wunderbar unterhält.

Christoph Peters: "Das Tuch aus Nacht" (btb, 320 S., 21,90 Euro). Deutsche Urlauber und Studienreisende 1994 in Istanbul. Ein Paar, das auseinanderfällt - er sich verlierend zwischen Alkohol-Fantasmen und einem nur von ihm erfahrbaren Mordkomplott, sie sich einem anderen Mann annähernd. Ein Roman halb Traum halb Albtraum, befremdend, ja verwirrend in der Handlung, großartig in seinem Umschleichen vertrauter bis befürchteter Seelentiefen respektive -abgründe.

MELANCHOLIE DES ABSCHIEDS

Walter Kempowski: "Letzte Grüße" (Knaus, 380 S., 22,90 Euro). Im Zusammenhang mit dem Roman wurde viel von der "Melancholie des Abschieds" gesprochen. Eine treffende Atmosphäre-Beschreibung für dieses Alterswerk des großen deutschen Romanciers und Chronisten. Der 75-jährige Schriftsteller schreibt über einen 70-jährigen Autor, dessen Ehe nicht mehr richtig sprüht, dessen Schreiberei nicht mehr vorankommt und den übelwollende Mitmenschen traktieren. Eine Einladung nach Amerika kommt ihm da gerade recht. Aber irgendwie kriegt er auch dort kein rechtes Bein mehr auf den Boden - der Alte scheint aus der neuen, unsrer heutigen Welt gefallen.

Doris Lessing: "Ein süßer Traum" (Hoffmann und Campe, 526 S., 24,90 Euro). Die 1919 in Persien geborene britische Autorin hat mit diesem Roman noch einmal die großen Themen ihres literarischen Schaffens aufgerissen. Um einen großen Küchentisch im London der 60er-Jahre toben Kämpfe: Dort müssen Frauen viele Kindermäuler stopfen und sich zugleich von einem ebenso brillanten und vereinnahmenden wie lebenspraktisch nichtsnutzigen und verantwortungslosen Kommunisten-Mann emanzipieren. Gespräche, kontroverse Dispute über Politik, Ideologie und des Lebens Wirklichkeit umtosen diesen Tisch, an dem sich Frauen dreier Generationen abarbeiten, auseinandersetzen und sich schließlich finden.

Nächst dem Roman gelüstet es vielen Belletristikfreunde nach Biografien, also dem kundigen Ausbreiten des Lebens berühmter, wichtiger und zugleich interessanter Menschen. Auch aus dieser Kategorie seien drei empfohlen.

Stephan Reimertz: "Max Beckmann" (Luchterhand, 512 S., 28,80 Euro). Tief im Großstadtleben verwurzelt, umgeben von faszinierend starken Frauen und doch ein Einzelgänger. Gefeierter Maler, aber sein Werk gilt als schwer zugänglich, ist kaum einer Strömung zuzuordnen. Ein sonderbarer Sonderling - und damit geradezu der Idealfall für eine spannend zu lesende Biografie.

Heinz Gärtner: "Johannes Brahms" (Langen Müller, 320 S., 22,00 Euro). Ein biografischer Idealfall wie Beckmann ist auch der Komponist Brahms: Einzelgänger, Einzelkämpfer, Eigenbrötler, guter wie böser Geist im Trio infernale mit Robert und Clara Schumann. Einer, der sein musikalisches Talent wohl nur entfalten konnte, weil er sich mit einer literarischen Figur identifizierte, E.T.A. Hoffmanns Kapellmeister Kreisler.

DER KÖNIGSBERGER GIGANT

Manfred Kühn: "Kant"
(C.H. Beck, 620 S., 29,90 Euro). Dem Herrn Professor aus Königsberg scheint hingegen all das zu fehlen, was Beckmann und Brahms zu einer lebhaften Biografie beitragen konnten. Der Mensch Immanuel Kant, zeitlebens kaum aus Königsberg herausgekommen, gilt als Stubenhocker, graumäusiger Pedant, unauffälliger Kleinbürger, der seinen Tagesablauf über Jahrzehnte einem minuziösen, immer gleichen Ablaufmuster unterwarf. Kein Lebens-Stoff für eine opulente Biografie? Manfred Kühn macht daraus mehr als 600 Seiten - und schiebt das überkommene Bild vom drögen Privatmann Kant deutlich in Richtung Genussmensch.

Mag er privatim gewesen sein wie er will, als Philosoph war der kleine Königsberger der bedeutendste Denker sämtlicher nachantiker Zeitalter. Darüber werden wir viel zu hören bekommen im nächsten Jahr, wenn nicht nur die Geisteswelt Kants 200. Todestag (12. Februar) begeht. Kühns Biografie gibt manchen Einblick ins Kantsche Werk. Tiefer hinein auch in die Wirkung führt allerdings Otfried Höffes Buch "Kants Kritik der reinen Vernunft - Die Grundlegung der modernen Philosophie" (C.H. Beck, 365 S., 29,90 Euro) . Höffes Ausführungen leicht verständlich zu nennen, wäre übertrieben. Aber der potenzielle Leserkreis geht doch sehr weit über die Fachwelt hinaus. Kant wird im Buchhandel bald seinen eigenen Tisch haben, vorübergehend, aber hoffentlich lange nachwirkend. Andreas Pecht
 
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