Kritiken Theater
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2003-01-08 Schauspielkritik:

Dem Ziel geopfert

"Dantons Tod" von Georg Büchner am Schlosstheater Neuwied
 

ape. Neuwied.
Inhaltlich und inszenatorisch tanzt leidlich aus der Reihe des am Neuwieder Schlosstheater Gewohnten, was jetzt dort als Gastspiel des Landestheaters Marburg Premiere hatte: "Dantons Tod", das Revolutionsdrama von Georg Büchner. Der Text ist anspruchsvoll, die Darstellung auf abstrakter Blutrot-Bühne entnaturalisiert. Es rollt keine streng erzählte Story ab, sondern eine einfallsreich gestaltete, teils berückende Szenenfolge beleuchtet die tragischen Konstellationen zu Zeiten der Französischen Revolution. Die Inszenierung von Ekkehard Dennewitz ist, nach Landesbühnen-Maßstäben, eine beachtliche, sehr sehenswerte Arbeit.

"Die Revolution frisst ihre Kinder", dieser Satz des Titelhelden umreißt treffend die Grundthematik des Stückes. Büchner (1813-1837) schrieb es als 21-Jähriger, damals selbst wegen revolutionärer Umtriebe verfolgt. Konfrontiert werden im Stück die Revolutionsführer Danton und Robespierre - Ersterer ein Gemäßigter, ein den Genüssen zugewandter Lebemann, Letzterer ein radikaler Asket, dem "die Sache" über alles geht. Tribunal und Guilloutine sensen durch Frankreich, ersäufen mit den Feinden zugleich Freunde, Ideale, die Revolution selbst in Strömen von Blut. Robespierre schickt auch den vormaligen Mitstreiter Danton aufs Schafott.

Alles Schnee von gestern? Mitnichten! Wie viel Barbarei rechtfertigten "gerechte Ziele" - 2003, im Antiterrorkampf, im Irak, im Nahen Osten? Wie viel menschliches Leid darf die "freie Entfaltung" der Globalwirtschaft kosten? Den Grundkonflikt, den Büchner anhand der Französischen Revolution aufwirft, wir sind ihn längst nicht los. Und das Theater konfrontiert uns - mittelbar zwar, aber unmissverständlich - einmal mehr mit den schwierigsten Fragestellungen der Gegenwart. Heiligt der Zweck alle Mittel?

Peter Radestock gibt einen weichen Danton, einen Philosophen schon etwas jenseits des politischen Alltags, durchaus befallen von dekadenten Zügen. Der Fleischeslust gilt sein Hauptinteresse - Eheweib, Geliebte, Huren haben in seinem Herzen nebeneinander, in seinem Bett nacheinander Platz. Für den caesarisch streng auftretenden Robespierre von Thomas Streibig ist das alles schändlich - Anzeichen eines Überlaufens zur verhassten Aristokratie.

Büchner-Theater ist kein Hollywood, Gut und Böse sind nicht eindeutig geschieden: Irgendwie stoßen die Zentralfiguren uns beide sauer auf. Und irgendwie wundert es nicht, dass das Volk kaum besser ist als seine "Führer". Dennewitz macht in den Volksszenen Anleihen bei Alexander Langs Düsseldorfer (1989) Kasperltheater-Idee: Ein bitter-humoriges Spiel im Spiel, das die Pariser vom Kneipier bis zum Sansculotten-Weib als überwiegend leicht beinflussbar und blutgierig vorführt. Andreas Pecht
 
 
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