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1999-08-24 Buchbesprechung:

Die geheimnisvolle Botschaft der Lyrikerin

Eine schöne Sammlung von Marcel Reich-Ranicki

 
ape. Lyrik wird auf den Bestsellerlisten kaum notiert. Eigentlich verwunderlich, steht doch dem breiten Publikum vermeintlich der Sinn so sehr nach häppchenweis Zerlegtem. Nun sind Gedichte zwar (meist) kleine Happen, aber selten leicht zu kauen und verdauen. Die diszipliniert gereimten oder frei geformten Verse entziehen sich dem Runterlesen, sie wollen studiert, erspürt, enträtselt sein. Überhaupt: Ein Gedicht ohne verborgene Sinn- und/oder Empfindungsebenen kann kein gutes sein.

Zu arg für viele durch federleichte Diätlektüre der Denkmühe entwöhnte Leser? Das mag die eine Seite sein. Die andere: Welches war wohl die letzte Schülergeneration, der noch kundig-engagierte Anleitung, etwas Übung und Ermutigung zuteil wurde, ohne die das Reich der Lyrik schwerlich erreichbar ist? Auch deshalb ist mir der von Marcel Reich-Ranicki herausgegebene Sammelband "Frauen dichten anders" mit 181 Gedichten plus jeweiliger Interpretation bisher eines der liebsten Bücher unter en 98er Neuerscheinungen. Wer nie gelernt hat, Gedichte zu lesen, hier kann er's mit Hilfe wohlerwogener Aufschlüsselungen durch namhafte Interpretoren/innen nachholen. (...)

Kein Gedicht, keine Interpretation unter den 181, die nicht derartige Rätsel und Enträtselungen böten. Alle Gedichte stammen von Frauen, beginnend mit den Versen einer Unbekannten aus dem 12. Jahrhundert bis zu Ulla Hahn oder Frederike Roth in unseren Tagen. Insofern kann für den Neuling auf die Annäherung an Lyrik überhaupt das Aufspüren des weiblichen Blickwinkels in dieser Literaturform folgen. Der Lyrik-Kundige sollte sich diese Spurensuche gleich gar nicht entgehen lassen.
                                                                               Andreas Pecht

Marcel Reich-Ranicki (Hersg.): Frauen dichten anders. 
 


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